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frings. das misereor-magazin 1 / 2022

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Rechte der Natur: Ein Heft über das Leben in Harmonie mit der Umwelt www.misereor.de/magazin

Menschenrechtsverteidigerin Patricia Gualinga vor einer Ceiba, einem riesigen Baum mit mächtigen Wurzeln 12 EINS2022

Das indigene Dorf Sarayaku kämpft im ecuadorianischen Regenwald für die Rechte der Natur und gegen Erdölkonzerne, Holzfirmen, Berg- und Straßenbauprojekte. Patricia Gualinga ist die internationale Stimme der widerstandsfähigen Kichwa aus dem Amazonas. Text von Constanze Bandowski Fotos von Kathrin Harms Die Regenwaldaktivistin blickt entschlossen in ihre Laptop-Kamera. Sie öffnet den Mund und sagt nur zwei Worte: „Es reicht.“ Kein Blinzeln, kein Zucken, kein Lächeln huscht über Patricia Gualingas Gesicht. Die untertassengroßen Federohrringe ruhen reglos auf ihren Schultern. „Es ist Zeit für Veränderung“, fordert sie. „Den endlosen Diskussionen müssen Taten folgen, und zwar sofort.“ Die Antworten ihres weltweiten Publikums kann die Sprecherin der Kichwa-Gemeinde Sarayaku nicht hören. Die Technik streikt. Seit Stunden prasselt schwerer Tropenregen auf das Wellblechdach ihres Mietshauses in Puyo. Die Stadt ist das Tor zum ecuadorianischen Amazonasgebiet und liegt 500 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Quito. Am Esstisch spricht Patricia Gualinga per Videokonferenz als Gastrednerin vor der UN-Arbeitsgruppe für Wirtschaft und Menschenrechte. Kompromisslos fordert sie: „Die Menschheit muss ihr Verhältnis zur Natur ändern. Sie muss von den indigenen Völkern lernen. Alles ist miteinander verbunden. Wir sind Natur.“ Was Patricia Gualinga damit meint, zeigt sie am nächsten Tag in ihrem Heimatdorf Sarayaku. Die weitläufige 1.350-Seelen-Gemeinde mit Palmendachhütten, lachenden Kindern und freilaufenden Hühnern liegt mitten im Urwald am Fluss Bobonaza. Die Bäume ragen hoch in den Himmel. Orchideen, Farne und unzählige Insekten besiedeln ihre Stämme. Leuchtende Schmetterlinge flattern in der Tropensonne über Maniokfelder. Aus Flüssen und Seen angeln die Männer mäch- Der ecuadorianische tige Fische, und wenn Staat verankerte die Familien Lust auf Fleisch haben, ziehen 2008 als erste Na- sie mit Gewehren und Blasrohren zur Jagd. tion weltweit das Recht der Natur in seiner Verfassung Eriberto Gualinga beim Jagen mit Blaspfeilen. Der Dokumentarfilmer ist Dozent an verschiedenen Universitäten. „Wir leben hier im Einklang mit der Natur“, beschreibt Patricia Gualinga das Zusammenleben und schüttelt ihr pechschwarzes Haar, das ihr wie bei allen Kichwa-Frauen bis über den Po reicht. Ihre Eltern sind die traditionellen Schamanen und Weisen der Gemeinde. Sie kennen das Miteinander des Regenwaldes, seine Heilpflanzen und übernatürlichen Kräfte. Ihren sechs Kindern haben sie beigebracht, den Wald als lebendiges Wesen zu betrachten, das seine eigenen Rechte und Schutzgeister besitzt. „Jede Art von Verschmutzung oder Zerstörung gefährdet unser Leben und damit das der gesamten Welt“, sagt Patricia Gualinga. Das habe inzwischen sogar die Regierung erkannt, aber: „Egal, wer an der Macht ist, es passiert nichts.“ Der ecuadorianische Staat verankerte 2008 als erste Nation weltweit das Recht der Natur in seiner Verfassung. Trotz- EINS2022 13

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