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Der Soziologe Frank Adloff über die Idee, die Natur nicht länger als Sache und bloße Ressource zu betrachten, sondern sie mit Rechten auszustatten Das Gespräch führte Birgit-Sara Fabianek Fotos von Dominik Butzmann Wem nützt es, wenn Wälder oder Moore vor Gericht ziehen können? Frank Adloff: Es nützt vor allem dem Wald oder Moor, denn dann wäre es nicht mehr automatisch so, dass das Grundrecht auf Eigentum im Zweifel immer stärker gewichtet wird als der Schutz der Natur. Wenn im Moment Wälder, Moore oder Flüsse geschützt werden sollen, geht das nur, wenn menschliche Bedürfnisse verletzt sind oder die Allgemeinheit betroffen ist, etwa durch die Zerstörung eines Ökosystems. Das wäre anders, wenn die Natur eigene Rechte bekäme, das „Recht der Natur an sich selbst“. Welche Idee steckt dahinter? Die Grundidee ist, dass damit die Natur zum rechtlichen Subjekt wird und nicht länger als Sache erscheint, über die einfach verfügt werden kann. Das stellt verfahrensrechtlich Waffengleichheit her. Diese ist die Voraussetzung dafür, menschliche Nutzungsinteressen versus die Eigeninteressen eines Ökosystems, etwa sich selbst zu erhalten, zu regenerieren und natürliche Lebenszyklen aufrechtzuerhalten, gleichwertig zu verhandeln. Inzwischen kreist diese Idee um die Welt. Das könnte ein Ausweg sein aus unserem ausbeuterischen Verhältnis zur Natur Was würden wir gewinnen, wenn die Natur Rechte bekommt? Wir gewinnen nicht nur mehr Fairness und eine größere Chance auf einen Interessenausgleich, sondern würden uns im Zeitalter des Menschen selbst schützen, indem Grenzen gegen die Selbstzerstörung gesetzt werden. Das könnte ein Ausweg sein aus unserem ausbeuterischen Verhältnis zur Natur. Wo gibt es das schon überall? In Ecuador wurde ein Artikel in die Verfassung eingefügt, wo es in etwa heißt: Es gibt ein Recht der Natur auf Existenz, auf Erhalt und Regeneration der Lebenszyklen. In Bolivien bekommt Mutter Erde Rechte in Form von Gesetzen. Auch der Ganges und der Yamuna-Fluss in Indien sind seit kurzem juristische Personen, ebenso Gletscher im Himalaya, Flüsse in Bangladesch oder der Fluss Whanganui in Neuseeland. Naturschutz ist Artenschutz. Die Menschheit benötige beides auch zur Selbsterhaltung, ist Adloff überzeugt. Und im Norden? In Schweden gibt es einen Antrag auf einen Verfassungszusatz und auch in Bayern wird ein Volksbegehren für einen Verfassungszusatz vorbereitet. Die Ursprungsidee dafür kommt aus den USA, die nordamerikanische Organisation CELDF hatte 2006 am weltweit ersten Gesetz mitgearbeitet, das der Natur Rechte zusprach. Seitdem sind dort Dutzende von weiteren Gesetzen für die Rechte der Natur in einzelnen Countys verabschiedet worden. Letztlich müssen aber Menschen darüber wachen, dass diese Rechte eingehalten werden, oder? Das ist ein Standardeinwand, dies ist für Rechtsordnungen aber nichts Besonderes. Neugeborene oder Demente können sich auch nicht selbst vertreten, sie haben Stellvertreter. Auch Stiftungen, Aktiengesellschaften, GmbHs und andere Körperschaften sind juristische Personen, die vor Gericht von Repräsentanten vertreten werden. Heißt das, Naturrechte sind mit unserem Rechtssystem vereinbar? Die Rechtswissenschaft ist mittlerweile recht offen dafür, solche Ideen zu durchdenken und vielleicht auch um- EINS2022 19
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