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frings. das misereor-magazin 1 / 2022

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Rechte der Natur: Ein Heft über das Leben in Harmonie mit der Umwelt www.misereor.de/magazin

Foto: iStock.com Der

Foto: iStock.com Der Flauchersteg in München ist der perfekte Ort, um darüber zu sprechen, wie man der Natur zu mehr Rechten verhelfen könnte. Die Isar donnert, als sie zwei Meter tief über das Wehr fällt, das Wasser gischtet beim Aufprall, fließt in mehreren Armen um die Kiesinseln, strömt weiter Richtung Innenstadt. Wenn man eine Ahnung davon bekommen will, was ein Fluss ist, geht das in München am besten hier. Aber die Isar muss hier auch hart arbeiten. Am Isarwerk II, direkt links vom Steg, 1923 erbaut und vor einigen Jahren modernisiert, fließt ihr Wasser durch vier Turbinen und erzeugt 2,5 Megawatt Strom – so wie zusätzlich an drei weiteren größeren und mehreren kleineren Kraftwerken allein im Stadtgebiet. Damit das Wasser dies zuverlässig tun kann, wird es schon zwölf Kilometer vorher in einen parallel zum Fluss verlaufenden Kanal abgeleitet und 24 EINS2022 Die Stromproduktion hat absolute Priorität zum Kraftwerk geführt. Die Stromproduktion hat absolute Priorität. Das wenige Wasser, das sich noch Die türkis schimmernde, frei fließende Isar mit den Alpen im Hintergrund ergibt ein Bilderbuchpanorama über das Wehr stürzen und die pittoresken Kiesinseln bilden darf, ist nur eine Rest-Isar. Ein Abbild des Flusses, aber nicht der Fluss selbst. Hier ist also alles gegeben, was einen Fluss ausmacht: das Fließen und die Wucht des Wassers; aber auch die Kontrolle und Nutzung durch den Menschen, mit einer inzwischen auch schon jahrhundertelangen Geschichte. Jetzt die Frage: Was würde die Isar sagen, wie sie das alles findet? Wie es ihr geht und wie sie sich fühlt? Und was sie vielleicht ändern würde, wenn ihre Bedürfnisse miteinfließen würden in Entscheidungen? „Gute Frage“, sagt Leo Bader und grinst etwas verlegen, weil er natürlich die Falle spürt, in die er hier gelockt werden soll.

Fotos: iStock.com (u.), imageBROKER/Mara Brandl via Getty Images (o.) Wenn man eine Ahnung davon bekommen will, was ein Fluss ist, geht das in München am besten am Flauchersteg Bader, 54, freundliches Gesicht, einnehmendes Wesen, dezent bayerische Sprachmelodie, ist im Hauptberuf ökologischer Projektentwickler und ehrenamtlicher Vorstand der Deutschen Umweltstiftung. Und als solcher Initiator des Volksbegehrens „Rechte der Natur“. Er hat das angestoßen: Die Rechte der Natur sollen in die bayerische Verfassung aufgenommen werden. Und danach in die Landesverfassungen weiterer Bundesländer und schließlich irgendwann ins Grundgesetz. So wie in Neuseeland, wo der Whanganui River 2017 zur juristischen Person erklärt wurde. Oder wie in Bolivien oder Ecuador, wo Rechte der Natur bereits in die Verfassung aufgenommen wurden oder anderweitig gesetzlich verankert sind. Und da fragen sich Laien natürlich als Erstes: Wie soll das gehen? Beziehungsweise: Was Leo Bader setzt sich dafür ein, dass die Rechte der Natur in die bayerische Verfassung aufgenommen werden Der Lech ist eigentlich kein Fluss mehr, der ist eine Industrieanlage Das Speicherkraftwerk am Walchensee, gebaut 1924, gilt als Beginn soll das konkret bedeuten? „Es ist vor der industriellen Stromerzeugung in Bayern allem ein Wechsel der Perspektive“, sagt Leo Bader; „es würde zunächst mal bedeuten, dass die Natur dem Menschen nicht länger schutzlos ausgeliefert ist. Und es könnte beispielsweise dazu führen, dass man einem Fluss erstmal ein grundsätzliches Recht zugesteht, zu fließen. Viele Flüsse dürfen ja gar nicht mehr fließen. Nehmen wir nur den Lech, der in seinem bayerischen Teil eine lückenlose Kette von Stauseen bildet, mit 33 Kraftwerken. Der Lech ist eigentlich kein Fluss mehr, er ist eine Industrieanlage.“ Ein Hauptargument, so Bader weiter, sei dieses: Dass Firmen und Organisationen, Städte oder Staaten juristische Personen sein dürfen, habe die Gesellschaft so entschieden. Dieser Status Foto: Martin Rasper EINS2022 25

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