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frings. das misereor-magazin 1 / 2022

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Ritz Lee dos Santos ist

Ritz Lee dos Santos ist Jurist. Er verteidigt Menschenrechte im Süden der Philippinen. Ihm und vielen anderen, die sich weltweit für Menschenrechte einsetzen, wird die Arbeit zunehmend erschwert. Das behindert auch die Entwicklungsarbeit im Globalen Süden. Text von Monika Rech-Heider Foto: privat Sandalen sind für Ritz Lee dos Santos tabu. Wenn der Leiter der Menschenrechtsorganisation Balaod Mindanaw (Balay Alternative Legal Advocates for Development in Mindanaw) morgens ins Büro geht, trägt er, anders als auf den Philippinen üblich, feste Schuhe. Im Zweifel ist er damit schneller, wenn er sich in Sicherheit bringen muss. Geht er zurück nach Hause, wechselt er seine Route. Tag für Tag. „Diese Maßnahmen gehören zum Training, mit dem wir Aktivist*innen und uns selbst vor möglichen Angriffen zu schützen versuchen“, so dos Santos. Wer in dem südostasiatischen Inselstaat die Folgen der rigiden Politik des seit 2016 amtierenden Präsidenten Rodrigo Roa Duterte anprangert, braucht eine Überlebensstrategie. Der Hintergrund: Im Namen des „Kriegs gegen Drogen“ verschwinden auf den Philippinen seit Jahren Menschen. Sie werden willkürlich festgenommen, eingeschüchtert und getötet – das zeigen Berichte des UN-Menschenrechtsrats und von Amnesty International. Die UN ging schon im Jahr 2019 von rund 27.000 Tötungen aus. Laut der philippinischen Menschenrechtsorganisation „Philrights“ sind die Die Zahl von Todesdrohungen und Hassmails gegen Menschenrechtsverteidiger Ritz Lee dos Santos hat zugenommen 38 EINS2022 In einer Atmosphäre der Angst leidet auch die Entwicklungszusammenarbeit Opfer mehrheitlich Männer aus städtischen Armenvierteln. In anderen Worten: „Der sogenannte Krieg gegen Drogen ist ein Krieg gegen Arme“, so Philrights. Schwere Menschenrechtsverletzungen und Einschränkungen im zivilgesellschaftlichen Raum gehen damit einher. Was heißt das genau für Menschenrechtsarbeit? Und wie beeinflusst es die Armutsbekämpfung? „Menschenrechtsverteidiger*innen vor allem in kleinen, lokalen Organisationen werden bedroht, inhaftiert und sogar ermordet“, so dos Santos, der mit der von MISEREOR unterstützten Organisation „Balaod“ staatlich legitimierte Gewalt dokumentiert, an die Öffentlichkeit bringt und Menschen verteidigt, gegen die im Kampf für ihre Rechte Anklage erhoben wird. Es seien Menschen, die sich für Umweltschutz oder Landrechte einsetzen, die gegen illegale Fischerei oder Bergbauindustrie auf die Straße gehen, es seien Journalist*innenen, Anwält*innen, Dorfvorstehende oder Priester, die unter dem Vorwand des Kriegs gegen Drogen, aber auch gegen Terrorismus und Kommunismus, auf den Philippinen zur Zielscheibe geworden sind, weil sie ihre (Menschen-)

Für Umweltschutz oder Landrechte Demonstrierende werden zur Zielscheibe einer autoritärrepressiven Regierung Rechte einfordern. Die Situation von Ritz Lee dos Santos und Balaod steht beispielhaft für Menschenrechtsarbeit im Globalen Süden. In fast allen Teilen der Welt engen Gesetze zur Finanzierung von Organisationen, zum Steuerrecht, zur Terrorismusabwehr oder Geldwäschebekämpfung zivilgesellschaftliches Handeln ein. COVID-19 hat die Situation zudem weltweit verschärft. Die Pandemie ist Rechtfertigung für die Einschränkung von Versammlungsrechten. „Ein autoritär-repressives System, wie das auf den Philippinen, schüchtert auch viele ein, die soziale Arbeit in Dörfern, städtischen Armutsgebieten und mit benachteiligten Menschen machen“, so Elmar Noé, der bei MISEREOR für zivilgesellschaftliche Rechte zuständig ist. Mit der Begründung, sie wären der Terrorunterstützung verdächtig, werde „Der sogenannte Krieg gegen Drogen ist ein Krieg gegen Arme“ der Kontakt zu Basis-Gruppen kriminalisiert. Da man aber nicht wisse, wer gerade unter Beobachtung des Staates stehe, sei jede Unterstützung lokaler Gruppen oder von Basisorganisationen riskant. „Es ist aber gerade diese Möglichkeit, sich zu organisieren und sich einzubringen, die für die Entwicklungsarbeit von MISEREOR grundlegend ist. Daher leidet in einer Atmosphäre der Angst auch die Entwicklungszusammenarbeit“, sagt Noé. Eine der Gruppierungen, die sich dagegen zur Wehr setzt, ist Balaod. „Auch mein Foto wurde schon über die sozialen Medien geteilt mit dem Vorwurf, ich gehöre einer terroristischen Vereinigung an“, so dos Santos. Die Zahl von Todesdrohungen und Hassmails gegen ihn hat stark zugenommen. „Es sind oft fanatische Unterstützer der herrschenden Politik, die mir – aufgehetzt durch Medien – Gewalt androhen“, sagt dos Santos. Regierungsnahe Medien und Social Media transportieren auf den Philippinen eine Erfolgsgeschichte, nach der die Straßen sicherer geworden seien. Obwohl sogar offizielle Statistiken die Zunahme von Tötungen belegen, vertrauen die Menschen oft eher den Desinformationen durch regierungsnahe Kanäle als den Zahlen von Menschenrechtsorganisationen. Auch diese Entwicklung steht beispielhaft für viele Länder im Globalen Süden. „Wir beobachten, dass sich Online- und soziale Medien von hoffnungsvollen Lösungen zu einem hohen Gefährdungspotenzial entwickeln. Kommunikation über soziale Medien treffen auf Überwachung, Diffamierung und Fake News. Auch das macht den Raum für zivilgesellschaftliches Handeln enger“, so Noé. Derweil zieht dos Santos wieder seine festen Schuhe an und plant eine neue Route für den Rückweg vom Büro nach Hause. „Es ist wirklich hart für uns, unsere Arbeit zu leisten, aber wir bleiben dran.“ Monika Rech-Heider schreibt als Journalistin, Bloggerin und Buchautorin. Sie lebt mit ihrer Familie in Köln. Wenn die Diplom-Geografin in ihr ausbricht, muss sie raus und schreibt von unterwegs. Beim Thema Menschenrechte beobachtet sie sich immer wieder selbst und hat sich Artikel 1 der UN-Menschenrechtserklärung auf die Wohnzimmerwand geschrieben. Foto: dpa picture-alliance EINS2022 39

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