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frings. Das Misereor-Magazin 1/2023: Wofür es sich zu kämpfen lohnt.

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Wofür es sich zu kämpfen lohnt: Ein Heft über Demokratie und Menschenrechte. www.misereor.de/magazin

Angus- und Salers-

Angus- und Salers- Rinder sorgen auf dem Hof von Benedikt Bösel für reichlich Humus in den Böden Beispiel Deutschland Für eine fruchtbare Zukunft 32 EINS2023 „W enn es an diesem Standort funktioniert, kann es überall funktionieren”, sagt Benedikt Bösel frohgemut. Die 1.000 Hektar Acker und 2.000 Hektar Wald in Alt Madlitz in Ostbrandenburg sind sandig und weisen durchschnittlich 30 Bodenpunkte auf. Das ist sehr mager. Hinzu kommt, dass es in der Region schon immer wenig regnet – in den vergangenen Jahren hat sich die Situation durch die Klimaerwärmung noch einmal spürbar verschärft. Trotzdem ist der 38-Jährige voller Optimismus. Zusammen mit seinen 30 Mitarbeiter*innen, einer Kuhherde und mehreren Wissenschaftler*innen arbeitet er seit ein paar Jahren systematisch und lustvoll an der Verbesserung von Böden und Mikroklima. Ziel aller Anstrengungen ist es zu verstehen, wie gesunde und widerstandsfähige Ökosysteme durch landwirtschaftliche Nutzung aufgebaut werden können. Nur wenn das gelingt, kann es in Zukunft genug Essen für alle geben, ist Bösel überzeugt. Und nicht nur das: Der studierte Agrarökonom möchte die ausgeräumte Landschaft südöstlich von Berlin wieder zu einem Lebensraum für viele verschiedene Pflanzen- und Tierarten machen. „Beyond Farming“ nennt er seinen ganzheitlichen Ansatz, bei dem Landnutzung mehr ist als nur Landwirtschaft. Es geht auch um Gesundheit, Natur, Gesellschaft – das ganze Leben eben. Humusaufbau und das Halten von Feuchtigkeit im Boden sind die entscheidenden Hebel. Deshalb gehören Mulchen, schonende Bearbeitung, Fruchtwechsel und der Anbau von stickstoffbindenden Leguminosen selbstverständlich dazu. Doch Bösel will mehr als die bewährten Methoden des Bioanbaus anwenden. Gezielt sucht er kundige und experimentierfreudige Menschen, die seine Vision teilen. Zusammen probieren sie verschiedene Formen der regenerativen, multifunktiona- Die ausgeräumte Landschaft wieder zu einem Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten machen len Landwirtschaft aus. Das reicht von ganzheitlichem Weidemanagement über Agroforst mit eigener Baumschule bis hin zu neuer Software und Technik. Die von ihm ge-

Rosanna Gahler baut auf Gut Madlitz Agroforstsysteme auf, eine traditionelle Art von Landbau Aus Simbabwe lernte er, wie Weidetiere das Leben auf ausgemergelten Flächen wieder in Gang bringen Diversität im Boden wieder aufzubauen“, erzählt der Mann, der im Internet ebenso zu Hause ist wie in Brandenburg. Er begann zu recherchieren und traf auf den in Simbabwe geborenen Allan Savory. Von ihm lernte er, wie Weidetiere das Leben auf ausgemergelten Flächen wieder in Gang bringen können. Bösel schaffte Angus- und Salers-Rinder an, die das ganze Jahr draußen leben und nun beim Humusaufbau helfen. Mehrfach am Tag werden die Zäune in Alt Madlitz umgesteckt, damit die 150-köpfige Herde ständig anderswo rupft, trampelt und kackt. „Die Kuhfladen ziehen Insekten, Würmer und Kleinstlebewesen an – und die locken Vögel an. Das ist eine ganze Biodiversitäts-Kaskade“, schwärmt er. Fotos: Benedikt Bösel gründete Stiftung arbeitet mit Professor*innen von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde und der Berliner Humboldt-Uni zusammen. Ständig bevölkern auch mehrere Praktikant*innen das Gelände, das 30 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt liegt. Mittags treffen sich alle zum Essen, die gerade da sind. Dazu gehören auch Bösels kleine Tochter und seine Partnerin sowie seine Eltern und zwei Schwestern mit ihren Familien. Gemeinschaft wird großgeschrieben auf Gut Madlitz. Wo der Schlüssel für eine zukunftsfähige Landwirtschaft liegt, hatte Benedikt Bösel im extrem niederschlagsarmen Sommer 2018 verstanden – zwei Jahre, nachdem er den Biohof von seinen Eltern übernommen hatte. Bis dahin hatte er die notwendigen Innovationen vor allem auf technischer Ebene gesucht. Doch allein auf einem staubtrockenen Acker spürte er plötzlich, dass alles unter ihm tot war. Seither steht für ihn fest, dass er sich für eine fruchtbare Zukunft vor allem um die Regeneration des Bodens kümmern muss. „Ich habe mich gefragt, was es für Methoden gibt, um die Mit regenerativer Landnutzung schafft das Team um Bösel gesunde, widerstandsfähige Ökosysteme „Landwirtschaft ist der größte Hebel, um die großen Probleme unserer Zeit zu lösen!“ ist er sich sicher. Dabei hatte Bösel nach der Schule zunächst einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Er studierte Business Finance und arbeitete zehn Jahre lang als Investmentbanker. Nach einem Studium der Agrarökonomie kehrte er 2016 nach Alt Madlitz zurück – dorthin, wo die Familie seines Stiefgroßvaters schon 300 Jahre lang Felder bestellt und Wälder gepflegt hatte. 2022 kürte „agrarheute“ ihn zum Landwirt des Jahres und begründete das so: „Benedikt Bösel folgt seinem Herzen, geht Risiken ein und mit seinen Überzeugungen voran.“ Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir gehörte zu den ersten Gratulanten. Annette Jensen siehe Seite 3 EINS2023 33

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