Die Installation „Das Globale Abendmahl“ für 199 Länder ist vom 8. bis 18. Mai 2023 im Rahmenprogramm des Internationalen Karlspreises im Kreuzgang des Aachener Doms zu sehen (freier Eintritt). Die Künstlerin ist in dieser Zeit anwesend. Am 15. Mai wird begleitend erstmals eine Folge des Misereor-Podcasts „Mit Menschen“ vor Publikum aufgenommen. WDR2-Moderator Jan Malte Andresen erwartet ab 19.00 Uhr in der Aachener Domsingschule spannende Gäste. Misereor bietet dort mit einer eigens entwickelten mobilen Mini-Küche „Micro-Meals“ an, um auf den Hunger in der Welt aufmerksam zu machen. Jede dieser Mini-Mahlzeiten enthält 380 Kalorien – so viele, wie ein unterernährtes afrikanisches Kind täglich zur Verfügung hat. Jedes Land der Welt hat seinen Platz am Tisch und ist mit einem eigenen Gedeck vertreten. Zurzeit sind insgesamt 199 Länder der Welt am Tisch versammelt. jede erreichbar, weil sie öffentlich zugänglich ist. Sie setzt auch kein Vorwissen voraus, nur die Bereitschaft, sich einzulassen. Kunst ist Selbstentwicklung. Eine Katharsis. Lilli Muller ist eine deutsche Künstlerin, die in Los Angeles lebt und arbeitet. Sie wurde mehrfach mit internationalen Preisen ausgezeichnet. In ihren Projekten beschäftigt sie sich immer wieder mit sozialen und globalen Themen. Jedes Gedeck besteht aus einem Teller, der jeweils mit einem Olivenzweig als universalem Symbol des Friedens handbemalt ist, und einem „gefüllten“ Rotweinglas, dessen Füllmenge den aktuellen Stand des Bruttosozialprodukts des jeweiligen Landes darstellt Wie haben denn die Menschen während der Biennale in Venedig auf Ihre Installation reagiert? Einige Besucher fragten, wieso ich denn auch für Russland einen Platz gedeckt habe. Genau darum geht es ja: Alle gehören an diesen Tisch, niemand wird ausgegrenzt. Beim letzten Abendmahl war auch Judas dabei, obwohl klar war, dass er Jesus verraten hat. Die Besucher in Venedig haben ganz anders reagiert, als ich erwartet habe: Ich dachte, sie würden sich drei, vier Plätze ansehen und dann wieder gehen: Sieht ja doch irgendwie alles gleich aus. Aber die meisten Menschen sind den ganzen Tisch abgeschritten, sind immer wieder stehen geblieben, viele waren berührt, manche haben geweint, ein paar haben mir persönliche Geschichten erzählt, die der Rundgang bei ihnen ausgelöst hat. Wen wollen Sie mit Ihrer Kunst ansprechen? Meine Kunst wendet sich nicht speziell an die „Kunst-Elite“, die sich den Zugang zu Kunst und Kultur selbstverständlich leisten kann. Das ist eine Hürde, vor allem in Amerika, wo ich lebe. Meine Kunst ist für jeden und Das „Globale Abendmahl“ knüpft an das Werk des italienischen Renaissancemalers Jacopo Tintoretto an, der mit seiner Darstellung des biblischen Abendmahls viele der damals geltenden Regeln gebrochen hat. Welche Bezüge möchten Sie damit herstellen? Tintorettos Werk ist kein frommes Andachtsbild, sein Abendmahl ist eine Darstellung im Diagonalformat. Die Leute wenden sich einander zu oder voneinander ab, Jesus bedient sich selbst – es ist eine sehr lebendige und chaotische Tischszene, die zeigt, wie auch vor mehr als 400 Jahren, als dieses Bild entstand, die Welt ins Wanken geriet und im Umbruch war. Das ist dem, was wir gerade erleben, nicht unähnlich. Der Bezug zu Tintoretto war mit dem „Global Supper“ in Venedig allerdings viel lokaler. Und das heißt? Tintoretto hat sein „Abendmahl“ für die Kirche „San Giorgio Maggiore“ in Venedig gemalt, dort sind auch die größten seiner Wandgemälde zu sehen. Meine Installation in Venedig habe ich in dem Kreuzgang aufgebaut, der zu dieser Kirche gehört, in der Tintoretto auch begraben ist. Foto: Lilli Muller 36 EINS2023
Dieter Rehfeld hat Lilli Mullers „Global Supper“ mit seiner Frau in Venedig gesehen und nach Aachen geholt Zu Ihrer Installation gehören auch Gesichtsmasken, die über den Teller gespannt sind. Diese Masken erinnern an die zurückliegende Coronazeit. Sind sie noch passend im Mai, nachdem die Pandemie endlich hinter uns liegt? Ich hatte überlegt, das Konzept zu verändern, aber diese Masken haben noch weitere wesentliche Bedeutungen. Etwa die, nicht essen zu können oder kein Essen zu haben, die Bedeutung Eine an jedem Gedeck platzierte Tischkarte soll die Unterschiede der Länder in Bezug auf Einwohnerzahl, Lebenserwartung, Hunger und andere Fakten unterstreichen frei sprechen zu können oder diese Freiheit eben nicht zu haben. Aus der Entfernung sehen sie aus wie kleine Mahlzeitenhügel, bestickt mit einem Begriff für Mitmenschlichkeit. Ich mag die Bedeutung, damit eine Portion Menschlichkeit zu servieren. Eine Kritik an Ihrer Kunst lautet, sie sei eindimensional, eine Kunst für Gutmenschen. Was sagen Sie dazu? Ich möchte mit meiner Kunst niemanden brüskieren und vor den Kopf stoßen. Meine Kunst ist einladend und eingängig. Sie möchte Menschen ermuntern, sich heranzuwagen und Teil des Kunstwerks zu werden, indem sie sich damit auseinandersetzen und auf diesem Weg etwas über sich erfahren. Wenn jemand das eindimensional findet, ist das auch in Ordnung. Woran glauben Sie? Ich glaube an das Gute im Menschen, das sich wie ein moralischer Code durch alle Kulturen und Religionen zieht. Da bin und bleibe ich Optimistin. Das „Global Supper“ sollte eigentlich schon 2021 in Venedig gezeigt werden. Das ging wegen Covid nicht. Wie haben Sie die Zeit der Pandemie erlebt? Fundraising in Covidzeiten war der Hammer, es war unglaublich schwer, auf sich aufmerksam zu machen. Installationen wie das „Global Supper“ sind Großprojekte, die sind sehr aufwändig, dafür benötige ich Unterstützung. Es war ein Glück, dass ich etliche Sammler und Philanthropen kannte, sodass ich mich direkt an sie wenden konnte, ebenso wie an Stiftungen, die Stipendien für Projekte ausschreiben und zu denen ich Kontakte hatte. EINS2023 37
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