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frings. Das Misereor-Magazin 1/2024: Ab in den Garten!

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Ab in den Garten! Ein Heft über Gemeinschaft, Gewinn und Genuss. www.misereor.de/magazin

FAIRER HANDEL Die

FAIRER HANDEL Die Nachfrage nach nachhaltig produzierten und fair gehandelten Blumen und Pflanzen wächst. Aber die Produzenten verdienen immer noch zu wenig. Nicht nur in Afrika, sondern auch bei uns. Text von: Martina Hahn Foto: Aldo Pavan via Getty Images 28 EINS2024

Schwer liegt der Duft der Rosen über der riesigen Packhalle der Farm. Aber Agnes Chebii hat nicht das Meer von Farben, Rot, Gelb, Rosé oder Lila im Blick. Sie konzentriert sich auf die empfindlichen Köpfe der Blumen, die frisch geschnitten und entdornt vor ihr auf dem Pult liegen und die ihrer Familie ein Einkommen sichern. Erst wenn Chebii, Teamleiterin auf der Karen-Roses- Farm in Kenia, die Blätter der Blüten geprüft hat, die hier für den Fairen Handel wachsen, werden die Stiele im Akkordtempo auf 80 oder 40 Zentimeter gekappt, immer zwölf auf ein Stück Karton gelegt, zu einem Bündel gerollt, mit dem Fairtrade-Etikett beklebt und auf ihre Reise nach Europa geschickt. Zwei Tage später und 6.370 Kilometer weiter nördlich zieht Katrin Jahn nacheinander neun rosa Rosen aus dem Eimer, den Strauß hat eine Kundin geordert, sie möchte fair gehandelte Ware. Katrin Jahn hat mit zwei Freunden den Blumenhandel „Marsano“ gegründet, sie beschäftigt 35 Männer und Frauen und ist Fördermitglied der Slowflower- Bewegung. Auf dem Boden und in den Glasregalen des liebevoll eingerichteten Ladens stehen Blumen in großen Vasen und Töpfen. Von der Decke hängen Trockensträuße. „Wir werfen keine Blumen weg, Nachhaltigkeit ist uns wichtig“, sagt Jahn. Im Sommer hat sie nur Schnittblumen vom eigenen Feld im Sortiment, Dahlien, Cosmeen, Amaranthus oder Gladiolen – aber zwischen Oktober und März bietet Jahn Blumen aus der ganzen Welt an, auch Rosen mit dem Fairtrade-Siegel. „Anders können wir im Winter den Bedarf an Ware, auch an nachhaltiger, gar nicht stillen.“ 2,7 Milliarden Euro geben die Deutschen jährlich für Blumen aus. Das sind im Schnitt pro Kopf 35 Euro, so der Zentralverband Gartenbau (ZVG). Allerdings kann die europäische Blumenproduktion diese Nachfrage nicht befriedigen. Blumen sind das viertwichtigste Fairtrade- Produkt nach Kakao, Kaffee und Bananen Foto: Aldo Marsano Pavan via Getty Images Kenia ist Deutschlands zweitgrößter Lieferant für Rosen. Neun von zehn Rosen werden importiert, 1,3 Milliarden Stiele pro Jahr. Doch das blühende Geschäft mit Rosen ist häufig Katrin Jahn erntet im Sommer die Blumen für ihren Laden auf zwei eigenen Feldern in Brandenburg ein schmutziges: Miserable Löhne für die Pflücker*innen, kaputte Masken für Mitarbeitende, die im Pestizidnebel stehen, oder unbezahlte Überstunden sind auf vielen konventionell arbeitenden Blumenplantagen in Afrika und Lateinamerika eher Regel als Ausnahme. Auch überdüngte Seen und kaputte Böden rund um die meist riesigen Blumenfarmen in Übersee kratzen am Image der Rosen. Auch wegen solcher Missstände achten immer mehr Verbraucher*innen bei Blumen und Pflanzen darauf, dass sie bio, regional oder fair erzeugt worden sind. Inzwischen stammt jede dritte Rose, die in Deutschland über den Ladentisch geht, aus einer Fairtrade-Blumenfarm, 464 Millionen Stiele allein im Jahr 2023, ein Umsatz von 128 Millionen Euro. Blumen sind inzwischen das viertwichtigste Fairtrade-Produkt nach Kakao, Kaffee und Bananen. Auch die nachhaltige Slowflower-Bewegung hat in Deutschland Zulauf: Die Gärtner*innen und Florist*innen bieten Blumen, Stauden und Setzlinge vom eigenen Feld an, etliche von ihnen sind biozertifiziert. Und die Nische wächst. Die Berliner Floristin Jahn etwa erntet im Sommer die Blumen für ihren Marsano-Laden auf zwei eigenen Feldern in Brandenburg. Sie verwendet dort Bio-Saatgut und erzeugt den Kompost selbst. Pestizide, synthetischer Dünger und Monokulturen sind tabu. All das sind wichtige Kriterien für die Slowflower-Bewegung, sagt Emma Auerbach, Sprecherin von Slowflower Deutschland – ebenso wie Regionalität: „Wir bauen nur an, was zu Jahreszeit und Klima passt.“ Damit verzichten etliche Slowflower- Mitglieder zwischen November und März auf ein Einkommen durch Schnittblumen. Auskömmlich wirtschaften kann kaum ein Betrieb, die meisten arbeiten alleine oder EINS2024 29

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