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frings. Das Misereor-Magazin 1/2024: Ab in den Garten!

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Ab in den Garten! Ein Heft über Gemeinschaft, Gewinn und Genuss. www.misereor.de/magazin

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deihen Zucchini, Kürbisse, Tomaten und Mais, die Wolf an den Dorfladen verkauft. Wolf entwickelte eine Komposttechnik, bei der er alle zwei Wochen einen langen Haufen um zwei Meter verlängert. Neben Grünschnitt und Fallobst arbeitet er auch Pferdemist eines benachbarten Betriebs mit ein. „Dafür haben wir hier zu viele Veganer, eigentlich gehören mehr Tiere in die Landwirtschaft“, meint er. Dass Der Weltklimarat führt ein Drittel der Erderwärmung auf das aktuelle Ernährungssystem zurück das Marktgarten-Team Kompost aus einer Anlage bei Hamburg antransportieren lässt, missfällt ihm. Aber in Sieben Linden haben unterschiedliche Methoden Platz. Alle eint der Wunsch, ein gutes Leben ohne Überschreitung der planetaren Grenzen führen zu wollen. Abnehmer und Verteiler der gesamten Gemüseernte in Sieben Linden ist der Laden. Einen Teil deponieren die Mitarbeitenden im einzigen unterkellerten Altbau im Dorf. Hier gibt es zahlreiche Fächer mit mäusesicheren Gittern, aus denen sich alle das nehmen können, was sie brauchen und mögen. Auch eine große Auswahl von Pasten, Marmeladen und Eingelegtem ist hier zu finden. Der andere Teil geht an die Gemeinschaftsküche, Einige junge Leute haben sich in Bauwagen mit politischen Botschaften um Sieben Linden angesiedelt Immer wieder helfen Gäste und Freiwillige bei der Ernte oder bei den Einmachwochen im Sommer und Herbst die jeden Mittag und Abend etwa 60 Portionen für die Bewohnerschaft zubereitet und auch die Seminarteilnehmenden versorgt. Reste werden kreativ in den Essensplan vom Folgetag eingebaut. „Wir kochen mit dem, was gerade verfügbar ist“, erzählt Tatjana Schubert. Sie wohnt eine Minute vom Regiohaus entfernt und schaut frühmorgens nach, was die Kolleg*innen vom Laden ihr ins Fach gelegt haben, damit sie es vordringlich verarbeitet. Dann checkt sie, wie viele Gäste und Unterstützende zu erwarten sind und entscheidet sich für zwei oder drei Gerichte. Gemüse ist immer die Basis, kombiniert mit etwas Eiweißhaltigem wie Linsen, Erbsen oder Soja und Kohlenhydraten aus Kartoffeln oder Getreide. Schritt für Schritt ist die Infrastruktur in Sieben Linden gewachsen, die Abläufe sind bestens eingespielt. Im Sommer und Herbst gibt es Einmachwochen. In der dafür eingerichteten Küche produzieren Mitglieder aus der Gemeinschaft und Gäste unter Anleitung Sauerkraut, Pesto, Brotaufstriche, Marmeladen und süß-saure Zucchini. „Es geht nicht darum Geld zu sparen, sondern alles zu verarbeiten, was hier wächst“, sagt Schubert, für die schon als Kind ein großer Nutzgarten zum Leben gehörte. Spinat, Hirschhorn- und Schnittsalat gibt es dank kluger Anbauplanung in der kalten Jahreszeit ebenfalls. Damit entspricht die Ernährung in Sieben Linden schon stark dem, was 37 Wissenschaftler*innen aus aller Welt vor fünf Jahren als Planetary Health Diet empfohlen haben: Ein Speiseplan, der sowohl der menschlichen Gesundheit dient als auch die planetaren Belastungsgrenzen respektiert und zur Artenvielfalt beiträgt. Allerdings unterscheiden sich die weltweiten Esskulturen stark. Während die höheren Kasten in Indien traditionell nur pflanzliche Kost zu sich nehmen und Fleisch ein eher negatives Image hat, ist die Auswahl an Gemüse in Lateinamerika oft begrenzt. „Dort leben bis zu 70 Prozent der Menschen in Städten und dort gibt es oft wenig Platz, um Frisches anzubauen“, erklärt Wolter. So ist die Küche in Bolivien extrem kohlenhydrat- und fleischlastig, weil viele nicht mehr kochen und sich lieber schnell ein frittiertes Hähnchen und 34 EINS2024

Die Gemeinschaftsküche versorgt jeden Mittag und Abend die Bewohner mit 60 Essens-Portionen Reis, Soja und Weizen allein reichen nicht für eine ausgewogene Ernährung Pommes kaufen. Und wenn Gemüse angeboten wird, dann stammt dieses aus einer Produktion mit viel Pestiziden und belastetem Wasser. Dieses Problem versuchen Misereor-Projektpartner in der auf 4.000 Meter Höhe liegenden Großstadt El Alto durch Gewächshäuser anzugehen. Darin gedeihen nun auf engstem Raum bis zu 40 Kulturen, die inzwischen auf das Interesse der Stadtbevölkerung stoßen und damit auch die Esskultur verändern und zeigen, dass gesunde Ernährung möglich ist. Mit den Jahren wurden in Sieben Linden immer mehr Bäume und Hecken gepflanzt, als Windschutz und Schattenspender. Bei alldem geht es um weit mehr als um die Produktion und den Konsum von Nahrungsmitteln, es geht auch ums Wohlbefinden. Irma Fäthke, die älteste Bewohnerin von Sieben Linden, lebt in einem Bauwagen und ist überzeugt, ein Luxusdasein zu führen. Während sie durchs Dorf bummelt und Kräuter für Smoothies und Tinkturen sammelt, hört sie das Lachen eines Grünspechts. „Früher war es hier total öde und ich habe mich gefragt, ob wir jemals Früchte ernten werden“, sagt sie, während sie in einen Baum voll reifer Birnen blickt. Auch freut sie sich, dass sich gerade mehrere junge Menschen in Sieben Linden angesiedelt haben, die sich politisch engagieren und mit denen sie viel diskutiert. Einer hat weit sichtbar ein Plakat aufgehängt: „Up with trees, down with capitalism.“ Das findet Irma Fäthke gut. Annette Jensen ist freie Autorin in Berlin und schreibt seit 25 Jahren über Wirtschaft, Umwelt und Transformation. Kathrin Harms arbeitet und lebt mitten im Großstadtdschungel Berlin. Als Fotografin taucht sie tief ein in die verschiedensten Ökosysteme der Welt. Foto: Reuters Gemüseparadies Paris Ein Gemüsegarten auf dem Dach der Bastille- Oper: Früher war Paris ein Zentrum des Gemüseanbaus Mitte der 19. Jahrhunderts war Paris ein Zentrum des Gemüseanbaus. Einige tausend Gärtner und Gärtnerinnen im Stadtgebiet produzierten genug, um die gesamte Bevölkerung der Metropole mit vitaminreicher, frischer Kost zu versorgen. Das ausgeklügelte Marktgartensystem fand auf Minifarmen statt, die durchschnittlich 5.000 bis 10.000 Quadratmeter groß waren und sechs Prozent des Stadtgebiets belegten. Die Gärtnerinnen und Gärtner orientierten sich am Bedarf ihrer Kunden und erstellten exakte Anbaupläne fürs gesamte Jahr. Sechs Ernten waren üblich, auf manchen Feldabschnitten wuchsen sogar noch mehr Kulturen nacheinander. Die Gemüsegärtner pflanzten sehr dicht, um den Boden rasch zu verdunkeln und so das Sprießen von Unkraut zu verhindern. Außerdem entsteht dadurch ein Mulcheffekt, der den Boden länger feucht hält. Im Winter stülpten sie Glasglocken über die Pflanzen, um die Sonnenwärme zu halten. Ein zentraler Produktionsfaktor war das Abfallprodukt des damaligen Verkehrssystems: Pferdemist. Damit fütterten die Gärtnerinnen und Gärtner das Bodenleben und hielten die Fruchtbarkeit aufrecht. Doch die Motorisierung machte dem ganzen System ein Ende. Asphaltpisten verdrängten die üppigen Gärten, Lkw bringen heute Gemüse aus fernen Regionen. Inzwischen aber geht es in Paris wieder in die umgekehrte Richtung. Bürgermeisterin Anne Hidalgo hat nicht nur zahlreiche Parkplätze in Parks umwandeln lassen, sondern fördert auch intensiv den Gemüseanbau auf Dächern und an Fassaden. EINS2024 35

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