Eukalyptusbäume verbrauchen dreibis viermal so viel Wasser wie einheimische Baumarten Eisenerz für die halbe Welt: Ein Güterzug auf dem Weg zur brasilianischen Atlantikküste. Es ist noch ziemlich früh an diesem Sonntag auf einer staubigen Huckelpiste im Nordwesten des brasilianischen Bundesstaates Minas Gerais. Und doch herrscht reger Verkehr, darunter schwere Sattelschlepper, vollgepackt mit riesigen Eukalyptus-Baumstämmen. Sie stammen aus der Region und werden unter anderem zu großen Brennöfen transportiert, wo aus ihnen Holzkohle hergestellt wird. Vor einigen Jahrzehnten, so berichtet Valmir Soares de Macedo von der Misereor-Partnerorganisation CAV, war hier vieles noch von artenreichem Mischwald geprägt. Dieser wurde dann aber systematisch abgeholzt und durch Eukalyptus ersetzt. Aufgereiht wie an der Schnur gezogen prägen nun die immer gleichen Baumfelder das Gebiet. In Minas Gerais wachsen Eukalyptus-Bäume auf 1,4 Millionen Hektar Land. Einer der größten Betreiber der Eukalyptus-Plantagen ist mit der Firma Aperam ein Tochterunternehmen des Stahlkonzerns Arcelor-Mittal. Auch die Holzkohle-Herstellung besorgt das Unternehmen selbst. Denn das Produkt wird in großen Mengen für die Verhüttung von Eisenerz benötigt. Spricht man mit Repräsentanten des Unternehmens, dann fallen vor allem Wörter wie „nachhaltig“, „klimaneutral“ oder „Emissionsminderung“. Aperam sieht sich zukunftsfest und auf der Höhe der Zeit. Als Nutzer eines nachwachsenden Rohstoffs, der bei seiner Verbrennung exakt so viel Kohlendioxid in die Atmosphäre entlässt, wie in ihm zuvor gebunden war. Kritischen Fragen bezüglich eines drastischen Rückgangs an natürlichen (Trink-) Wasserressourcen weicht die Firma dagegen aus. Ja, es gebe Probleme mit zunehmender Trockenheit. Aber das sei eher die Folge der Klimaerhitzung. Aktivistinnen und Aktivisten von CAV halten diese Aussage für vorgeschoben. Es sei nachweisbar, dass Eukalyptusbäume dem Boden etwa drei- bis viermal so viel von dem kostbaren Nass entzögen wie andere, einheimische Baumarten. An verschiedenen Orten in Brasilien ist zu beobachten, wie der Abbau von Eisenerz und dessen Weiterverarbeitung die umliegende Bevölkerung belastet. In Minas Gerais ist dieses Problem gravierend. Dort gibt es mit der Mine Apolo Planungen für ein besonders großes Projekt des Vale-Konzerns. Anwohner und Nichtregierungsorganisationen zeigen sich alarmiert. Denn die Rohstoffförderung soll auf gleicher Höhe wie beträchtliche unterirdische Wasserspeicher realisiert werden. Diese könnten durch den Bergbau unwiederbringlich verloren gehen, die gesicherte Wasserversorgung der Region um Belo Horizonte, der Hauptstadt von Minas Gerais, wäre gefährdet, warnt Constantin Bittner, Misereor-Berater für Bergbau, Umwelt und Menschenrechte in Lateinamerika. Einige tausend Kilometer weiter nordöstlich sind im brasilianischen Bundesstaat Maranhão Umsiedlungen ein großes Thema. Der Insel Cajual in der Atlantikbucht Baía Sao Marcos droht Natur- und Lebensraumzerstörung. Zur besseren Verschiffung von Erzen und landwirtschaftlichen Gütern für den Export vor allem nach Europa und China ist hier ein Tiefseehafen geplant. Dieser wird eine Fläche von zwölf Millionen Quadratmetern einnehmen. 40 EINS2024
Bergbau und industrielle Landwirtschaft, Wasserbelastung, Pestizid-Einsatz: Die Zeichen stehen auf Umsiedlung Die Dimensionen des Rohstoffabbaus in Brasilien spiegeln die globale Nachfrage wider Der Hafen würde eine für die Anwohnenden bedeutsame Landschaftsidylle brutal zerschneiden. Eine tropisch-urwüchsig bewachsene Fläche, von der die dortigen Menschen sich gut ernähren können. Die Stimmung unter den Menschen auf der Insel ist gespalten. Von expliziter Ablehnung des Projekts bis zu vorsichtiger Zustimmung reicht das Meinungsspektrum. Der Investor habe schließlich auch versprochen, ein neues Gesundheitszentrum zu bauen, die schulische Versorgung zu verbessern. Dennoch: Vom ursprünglichen Zustand der Insel bliebe nicht mehr viel übrig. Auch anderswo in Maranhão stehen die Zeichen auf Umsiedlung: Bewohner von Piquia de Baixo, die wegen Bergbau und industrieller Landwirtschaft von Staub, Wasserbelastung, Pestizid-Einsatz und Lärm durch mit Eisenerz beladene Güterzüge stark in Mitleidenschaft gezogen werden, können nun in relativer Nähe zu ihren Heimatstandorten in eine neue, besser gelegene Siedlung umziehen – nach fast zwei Jahrzehnten zähem Ringen um Gerech- tigkeit. Gleichzeitig wird in der Region vom Eisenerzkonzern Vale bereits eine weitere, 520 Kilometer lange Bahnstrecke von Açailândia zum Atlantik geplant, die den Transport von Erzen, Soja und anderen Exportprodukten beschleunigen soll – mutmaßlich auf Kosten traditioneller Quilombola-Gemeinden, deren ökologisch sensible Naturareale dadurch geschädigt würden, wie Constantin Bittner befürchtet. Zu den möglichen Betreibern der Strecke könnte mit der E.C.O-Group auch eine Tochterfirma der Deutschen Bahn gehören, die allerdings einen entsprechenden Vertrag bisher nicht unterzeichnet hat. Die riesigen Dimensionen des Rohstoffabbaus in Brasilien zeugen von der wachsenden globalen Nachfrage, angesichts derer Fragen von Umwelt- und Menschenrechtsschutz vielfach in den Hintergrund treten. Eukalyptus-Monokultur in Minas Gerais. Das Holz ist unter anderem zur Eisenproduktion nötig. Am 25. Januar 2019 brach der Staudamm in Brumadinho, der zu einer Erzmine des Unternehmens Vale gehört. Dabei ergossen sich riesige Schlammmassen in der näheren und weiteren Umgebung. 272 Menschen fanden bei dem Unglück den Tod. Gemeinsam mit der Menschenrechtsorganisation ECCHR hat Misereor im Jahr 2019 bei der Staatsanwaltschaft in München eine Anzeige gegen den TÜV Süd eingereicht. Das Unternehmen hatte den Damm im Rahmen eines Zertifizierungsverfahrens für sicher erklärt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach wie vor in der Angelegenheit. Ob und wann sie ein Verfahren gegen TÜV Süd eröffnen wird, ist weiter offen. Im Umfeld einer Mine Im Südosten von Minas Gerais werden ökologisch sensible Naturareale durch Erzabbau und -transport geschädigt. Auch auf Kosten der Anwohner. Ralph Allgaier lebt in Aachen und arbeitet als Pressesprecher bei Misereor. Zuvor war er Redakteur bei der Aachener Zeitung. Florian Kopp lebt in Rio de Janeiro, Brasilien. Als Fotograf dokumentiert er soziale und ökologische Konflikte in Lateinamerika, EINS2024 41
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