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frings. Das Misereor-Magazin 1/2024: Wir müssen reden!

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silber belastet, das die

silber belastet, das die Goldsucher verwenden. Doch die Munduruku wehren sich gegen die Eindringlinge, und der Kazike glaubt, dass es in diesem Konflikt einen entscheidenden Faktor gibt: die Kultur und Sprache der Munduruku. „Sie sind wie eine Immunabwehr“, erklärt er. „Solange wir unsere Sprache sprechen und unsere Kultur pflegen, sind wir vereint. Aber wenn wir sie verlieren, wenn die jungen Leute sie nicht mehr kennen, dann werden wir krank. Wir wissen dann nicht mehr, wer wir sind und unsere Gemeinschaften zerbrechen.“ Im Jahr 1500 landeten die ersten Portugiesen im heutigen Brasilien. Damals lebten etwa zwei bis sechs Millionen Indigene dort, die sich in 1.000 bis 1.200 Sprachen verständigten. Hunderte dieser Sprachen sind seit der Ankunft der Portugiesen für immer verschwunden, nur etwa 15 Prozent haben überlebt, schätzen Linguist*innen. Damit sich ihre Sprache durchsetzt, verbot die portugiesische Krone beispielsweise den Gebrauch des Tupi, das bis Mitte des 18. Jahrhunderts die am weitesten Die Verdrängung der indigenen Sprachen war die Voraussetzung für die Verbreitung kolonialer Denk- und Handlungsmuster Das Dorf Sawré Aboy des Munduruku-Volks liegt im Dschungel, eine Tagesreise von der nächsten Stadt entfernt Am und im Fluß Jamanxim spielen sich wichtige Rituale im Leben der Familien der Munduruku ab verbreitete Sprache in Brasilien war. Die Verdrängung der indigenen Sprachen war die Voraussetzung für die Verbreitung kolonialer Denk- und Handlungsmuster. Dieser Prozess endete nicht mit der Unabhängigkeit Brasiliens. Bis in die 1980er Jahre gab es Sprachverbote. Zwar gewährte die demokratische Verfassung von 1988 den indigenen Völkern wichtige Rechte, aber das Sprachensterben setzte sich fort. Dass 190 Sprachen in Brasilien akut gefährdet seien, konstatierte der UNESCO-Atlas für bedrohte Sprachen von 2010. Ein Grund dafür ist das Verschwinden der alten Menschen. Mit ihnen sterbe ein immenser Reichtum an Wissen und menschlicher Ausdrucksformen, beklagt der Linguist Caleb Everett, Professor für Anthropologie an der Universität Miami. „Sprecher*innen verschiedener Sprachen sehen die Welt anders und denken anders über sie“, sagt Everett. Es ist das, was Jairo Saw ausdrückte, als er an der Feuerstelle sagte, dass die Goldgräber „eine andere Sprache“ hätten als die Munduruku. Die zweite aktuelle Bedrohung für Brasiliens indigene Sprachen ist der Verlust ihrer Territorien. „Ohne Land, keine Sprache“, sagt der Linguist Angel Corbera Mori von der Universität Campinas. Die Indigenen bräuchten sichere Räume, um ihre Kultur zu praktizieren. Entlang der sogenannten fronteira agraria, der Agrargrenze, kann man beobachten, wie die industrielle Landwirtschaft mit ihren Siedlungen immer näher an indigene Gemeinden heranrückt. Vor allem junge Indigene beginnen dann, westliche Lebensweisen zu imitieren. Sie schämen sich für ihre Kultur, weil in der Stadt alles Indigene abschätzig und feindselig betrachtet wird. Dort, wo eine indigene Sprache lebendig ist, überleben dagegen häufig traditionelle Formen des Zusammenlebens und Wirtschaftens. „Sprache ist Identität“, sagt Corbera Mori. Es dämmert, als das Boot wieder in Sawré Aboy anlegt. Das Dorf liegt in einer Flussbiegung des Jamanxim. 14 Familien leben hier in Hütten aus Holz, Ziegeln, Palmblättern und Wellblech. Die Böden sind aus festgestampfter Erde, geschlafen wird in Hängematten. Die meisten Bewohner sind zweisprachig, reden untereinander 16

Grund für bessere Kommunikation, aber auch Probleme: Die Dörfer am Rio Tapajos sind mit Internet ausgestattet in Munduruku und mit Nicht-Indigenen in Portugiesisch. So gut wie alle tragen die traditionellen Bemalungen aus der dunklen Farbe der Jenipapo-Frucht. Jairo Saw wird schon erwartet, denn Gäste sind eingetroffen: acht Kaziken und ihr Anhang aus Dörfern der Region des mittleren Tapajós. Sie wollen ein Wochenende lang beraten über die Verteidigung ihrer Gemeinden. Dazu haben sie Experten von zivilgesellschaftlichen Organisationen eingeladen. Mit dem Sonnenaufgang setzt sich der Rat zusammen. Zwei Juristen sprechen über die Tücken von Verträgen. Häufig würden diese absichtlich in kompliziertem Portugiesisch verfasst, um die Indigenen zu übervorteilen. „In formalen Angelegenheiten zählen indigene Sprachen nichts“, sagt einer der beiden. Es sei wie in der Kolonialzeit, man behandle die Indigenen nicht als gleichwertig. Zwei junge Frauen filmen mit iPhones den Kazikenrat. Beka Munduruku und Aldina Akay gehören zu einer neuen Generation oft weiblicher Indigener, die auf Instagram und Tiktok die Lebensweise ihrer Völker präsentiert und damit Millionen Follower gewinnt. Es ist ein Phänomen, das eine Welt zeigt, die den meisten Brasilianern fremd ist. Über Brasilien hinaus bekannt ist beispielsweise Txai Suruí, die vom „Time“-Magazin 2023 zu den 100 weltweit wichtigsten Nachwuchspersönlichkeiten gezählt wurde. Ihre Follower-Zahlen können Beka Munduruku und Aldina Akay nicht vorweisen. „Aber darum geht es uns nicht“, sagt die 32-jährige Akay. „Wir begleiten das politische und kulturelle Leben unseres Volkes.“ Digitale Aktivistinnen wie die beiden Munduruku-Frauen haben neue Kommunikationswege für junge Indigene eröffnet. Mit einem Mal erscheinen Etwa 190 Sprachen sind in Brasilien akut gefährdet, ergab eine Untersuchung von 2010 die Kultur und Sprachen der Indigenen als etwas Schönes und Außergewöhnliches. Die Voraussetzung dafür ist ein Internetzugang. Wie in vielen indigenen Gemeinden steht heute auch in Sawré Aboy eine Starlink-Antenne. „Wir können jetzt besser mit anderen Dörfern kom- Indigene Sprachen in Brasilien Kaziken und Anführer des Volkes der Munduruku treffen sich, um sich über aktuelle Themen auszutauschen In Brasilien leben laut einer Volkszählung von 2022 knapp 1,7 Millionen Indigene. Sie sprechen 274 Sprachen, so der Zensus von 2010 (die Ergebnisse der Volkszählung 2022 liegen hierzu noch nicht vor). Wissenschaftler reduzieren diese Zahl auf 150 bis 160, da viele Dialekte als eigenständige Sprachen hinzugerechnet worden seien. Nur wenige indigene Sprachen sind in Brasilien wissenschaftlich untersucht worden. Vor der Ankunft der Portugiesen gab es keine Schrift, bis heute existieren kaum Wörterbücher oder Grammatiken. Nur 25 Völker haben noch mehr als 5.000 aktive Sprecher*innen ihrer Sprachen. Zu ihnen zählen auch die Munduruku. Ebenfalls laut Zensus von 2010 sprechen mehr als ein Drittel der Indigenen daheim eine indigene Sprache. Etwa jeder und jede sechste Indigene spricht kein Portugiesisch. In den Indigenen-Reservaten verwenden mehr als die Hälfte der Bewohner*innen ihre Muttersprache. Es bestätigt die wichtige Rolle der Schutzgebiete für den Fortbestand der indigenen Sprachen. munizieren“, sagt Kazike Jairo. Aber es gebe auch Probleme. Der Kazike bezieht sich auf Pornografie und exzessive Gewaltdarstellungen, die nun im Dorf zu sehen sind. Man habe entschieden, das Internet nur noch zu bestimmten Tageszeiten einzuschalten, sagt er. Auch bestimmte Seiten wurden verboten, und es werde kontrolliert, ob sie angesteuert würden. Als die Vorträge am Nachmittag enden, diskutieren die Kaziken über die Ratschläge der Experten. Es ist eine langwierige Angelegenheit, für die man viel Geduld braucht. Zeit scheint keine Rolle zu spielen. Es geht nicht um einen Wettkampf der Argumente, um Eloquenz oder darum, schnell ein Ergebnis zu erzielen. Stattdessen schält sich im Diskurs langsam ein Konsens heraus, dem alle zustimmen können. 17

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