INDONESIEN Yngvie Ahsanu Nadiyya ermutigt die Frauen medial, über ihre Erfahrungen zu sprechen – behutsam und mit viel Geduld FRAUEN ERGREIFEN DAS WORTText von Charleen Kovac Fotos von Fauzi Rohmat Als Wanderarbeiterinnen erleben Frauen in Malaysia, Singapur, Saudi- Arabien oder Hongkong oftmals psychische und physische Gewalt. Dass sie über ihre traumatischen Erlebnisse sprechen und sich in den Medien Gehör verschaffen, ist noch immer eine Ausnahme. Ich hatte grausame Arbeitgeber. Einmal zerbrach ich dort versehentlich einen Teller. Dafür wurde ich einen ganzen Tag im Badezimmer eingesperrt, sie drehten den Wasserhahn auf und das Wasser kam immer höher.“ Sekti Rohmani ist 1998 von der indonesischen Insel Java nach Saudi-Arabien gegangen und hat dort vier Jahre als Hausmädchen bei verschiedenen Familien gearbeitet. Nach anfänglichen positiven Erfahrungen geriet sie an eine Familie, die sie missbrauchte. Zunächst habe es sie viel Überwindung gekostet, über ihre Erlebnisse zu berichten, doch mit der Zeit wuchs der Wunsch, ihre Erfahrungen zu teilen. Nun spricht Sekti in YouTube-Videos, bei öffentlichen Veranstaltungen und in den sozialen Medien über das Erlebte. Sie wünscht sich, so zur Aufklärung und Aufarbeitung von Menschenhandel beizutragen. 38 Sekti Rohmani ist Mitglied in der Mediengruppe „P3A Rengganis“, in der Frauen kreative Inhalte zum Thema Menschenhandel, Wanderarbeit und Gendergerechtigkeit erstellen. Einerseits wird der Inhalt für Aufklärungsarbeit genutzt, andererseits dient die Mediengruppe den Frauen auch zur Verarbeitung ihrer Traumata. Gegründet wurden die insgesamt neun Mediengruppen im Bezirk Kulon Progo von der Misereor-Partnerorganisation Mitra Wacana. Die Frauenrechtsorganisation gibt den Gruppen den notwendigen Input, berichtet Yngvie Ahsanu Nadiyya vom Mitra Wacana Medienteam: „Die Mediengruppen wurden gegründet, um eine Kampagne zu den Gefahren von Menschenhandel ins Leben zu rufen. Viele der Opfer wollen über ihre Jede Frau kann in ihrer „Wohlfühlsprache“ sprechen Erfahrungen sprechen, aber ihnen fehlen die technischen Fähigkeiten, um es medienwirksam zu verbreiten. Deshalb bringen wir sie mit jüngeren Leuten zusammen. So können sie gemeinsam Kurzfilme, Texte und Poster produzieren. Wir halten in den Mediengruppen regelmäßig Workshops zur Erstellung guter Medieninhalte und sprechen über Genderthemen. Die Mediengruppen entstehen aus den bereits bestehenden Gemeinschaften, daher kennen sich die Frauen schon aus der Nachbarschaft.“ Mitra Wacana ist es wichtig, dass die Frauen eine Gruppenidentität bilden können, deshalb suchen sich die Frauen auch einen Namen und ein Logo für ihre Mediengruppe aus. In den Mediengruppen gibt es eine sprachliche Besonderheit bei der Kommunikation:
Am Anfang stand der Wunsch, das eigene Leben und das ihrer Familie zu verbessern. Anstatt der versprochenen Arbeitsmöglichkeit folgte Gewalt und Ausbeutung. Sekti Rohmani möchte verhindern, dass andere Frauen ebenfalls in diese Zwangslage geraten. Neben der Landessprache Bahasa Indonesia, gibt es über 700 traditionelle Sprachen in dem muslimischen Staat. Die Indonesier*innen lernen die traditionelle Sprache meistens noch bevor sie die offizielle Landessprache lernen. Die Zielgruppe von Mitra Wacana entspricht der unteren Bildungsschicht, In der Gemeinschaft schaffen sie Veränderungen die in der Regel kein Englisch spricht. Um besser anzudocken, darf in den Videos der Mediengruppen jede in ihrer „Wohlfühlsprache“ sprechen, Bahasa Indonesia Untertitel werden eingeblendet. So berichtet Sekti beispielsweise in der lokalen Sprache, Javanisch. Die Sprache ist auch der Grund, weshalb Malaysia das beliebteste Zielland der indonesischen Wanderarbeit und mittlerweile Hotspot für den Menschenhandel ist. Indonesien und Malaysia liegen nicht nur nah beieinander, die Länder ähneln sich auch kulturell und sprachlich. Die beiden Landessprachen Bahasa Malaysia und Bahasa Indonesia sind malaiische Sprachen, daher können sich Wanderarbeiter*innen auch ohne Englisch-Kenntnisse gut in Malaysia verständigen. Aufgrund von Armut und Perspektivlosigkeit treibt es viele Menschen aus dem größten Inselstaat der Welt als Wanderarbeiter*innen nach Malaysia, Singapur, Saudi- Arabien oder Hongkong. Oft hören sie durch Bekannte in den umliegenden Dörfern von den Arbeitsangeboten im Ausland und können seriöse Wanderarbeit nicht von getarntem Menschenhandel unterscheiden. Dabei gibt es Warnsignale: Oft sind die Ausreisedokumente gefälscht, offizielle Arbeitsverträge fehlen, die Einreise ins Zielland er- 39
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