MISEREOR IN AKTION VERERBEN Worüber niemand gerne spricht Beratung zu Erbschaft und Testament bei Misereor Interview von Suzanne Lemken Wenn es darum geht, Misereor im Testament zu bedenken: Wer spricht Sie deshalb normalerweise an? Katrin Heidbüchel: Das sind die Menschen, die darüber nachdenken, mit ihrem Testament auch eine „letzte Spende“ an Misereor zu geben. Die meisten finalen Testamente werden im Alter von 71 Jahren verfasst. Oft hat man sich schon lange vorher Gedanken dazu gemacht. Aber das Thema wirklich anzupacken, darüber vergehen auch mal Jahre. Da gibt es dann doch eine gewisse Scheu. Wie verläuft der Weg von der ersten Überlegung bis zum Gespräch mit Ihnen? Häufig taucht das Thema zum ersten Mal mit etwa 60 Jahren auf. Man erlebt Todesfälle in der Verwandtschaft und Erbstreitigkeiten, mit denen niemand gerechnet hat. Man stellt erste Überlegungen an, was die Rente angeht, zieht Bilanz über das, was man erwirtschaftet hat. Dann wird es allerdings gerne wieder verdrängt: „Hat noch Zeit, ich habe ja Kinder …“ Aber seien wir mal ehrlich: Das Schicksal macht keine Termine. Wird man wirklich krank, gerät man unter Druck. Wer es zu lange vor sich herschiebt, seine Angelegenheiten zu klären, tut sich damit nicht wirklich einen Gefallen. Mein Credo: Machen Sie das, wenn es Ihnen gut geht. Es ist auch nicht leicht, sich mit der eigenen Vergänglichkeit auseinanderzusetzen. Das stimmt. Aber in den Gesprächen geht es nicht um Vergänglichkeit, sondern darum, die Zukunft zu gestalten! Wer Misereor kennt und darüber nachdenkt, uns in seinem Letzten Willen zu berücksichtigen, tut das aus einer bestimmten Überzeugung heraus. Da geht es ganz oft um Werte, die prägend für das eigene Leben waren. Sind die Gespräche denn nicht auch ernst und traurig? Nein, eigentlich gar nicht. Zunächst einmal haben die Leute die wichtigste Hürde schon genommen, indem sie sich bei mir gemeldet haben. Da hilft es oft sogar, dass ich eine „Fremde“ bin. Und dann bringe ich eine gute Portion Leichtigkeit in das Gespräch. Wir sortieren, lösen Knoten, bringen Klarheit in die Gedanken. Was die Menschen lange vor sich hergeschoben haben, ist auf einmal gar nicht Suchen Sie eine Gesprächspartnerin, um Ihre Gedanken rund um Ihren Letzten Willen zu ordnen? Katrin Heidbüchel Telefon: 0241 442 503 katrin.heidbuechel@misereor.de misereor.de/testament mehr so schwierig. Wir sprechen intensiv über die Werte, die die Menschen mit ihrem Nachlass verbinden. Aber man kann mit einem Testament auch nicht alles bis ins kleinste Detail regeln, man muss sich aufs Wichtigste fokussieren. So wird das Gespräch auch eine Übung im Loslassen. Viele sagen hinterher, dass sie die Beratung überrascht hat. Aus einem beklommenen „Das ist wirklich ein blödes Thema …“ wird ein Durchatmen, ein „Das war jetzt aber gut!“ Wie gelingt es Ihnen, diese Leichtigkeit zu vermitteln? Hauptsächlich, indem ich von Anfang Foto: www.einzelbilder.com 46
an den Fokus auf das lebensbejahende Moment lenke. Es geht mir nicht darum, die Vergänglichkeit schönzureden. Aber es gibt eben auch die andere Seite. Was mir im Leben wichtig war, das besteht weiter! Dazu braucht es viel Zeit, die nehme ich mir natürlich. Nach einer Beratung hat mir die Gesprächspartnerin für die Zeit gedankt, die wir zusammen verbracht haben. Sie schrieb, sie hätte an dem Tag keine Armbanduhr getragen und erst am Mittagsläuten bemerkt, wie lang unser Gespräch gedauert hätte. Und danach? Bin ich immer wieder zu sprechen, wenn es Fragen gibt oder wenn etwas geklärt werden muss. Außerdem können sich die Menschen darauf verlassen, dass wir ihren letzten Willen bestmöglich erfüllen. Werden wir als Erben eingesetzt, geht das so weit, dass wir bei Bedarf den Grabstein auswählen und die Beisetzung oder den Trauergottesdienst gestalten. So ich zeitnah informiert werde, nehme ich selbstverständlich auch an den Beerdigungen teil. Es ist wichtig, dass die Menschen ihre Wünsche vorab mit uns besprechen, damit wir ihre Vorstellungen kennen. Foto: Kathrin Harms; Illustration: Kat Menschik SPENDEN Timor-Leste: Frauen finden ihre Stimme Rücken gerade, Schultern zurück. Floriana atmet durch, tritt nach vorn. Dann gehört alle Aufmerksamkeit ihr. Sie hat eine Meinung, und die formuliert sie klar und deutlich. Die anderen Teilnehmerinnen im Kurs der „Seraphine Foundation“ hören gebannt zu, wie hier jemand über sich hinauswächst. Das macht eine Misereor- Partnerorganisation aus dem Spendenprojekt „Frauen stärken – Entwicklung fördern“ in Timor-Leste möglich. Hier gehören Armut und Gewalt für viele Frauen zum Alltag. Erlernte Zurückhaltung wird ihnen oft schon früh zu einer schweren Bürde. Einen Platz im Berufsleben erobern, in einer Partnerschaft bestehen – all das ist viel leichter, wenn man gelernt hat, selbstbewusst zu sprechen. Nicht nur mit der Stimme, sondern mit dem ganzen Körper. Diesen Zusammenhang nutzt die Seraphine Foundation ganz bewusst. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, Frauen den Weg in ein selbstbestimmtes, unabhängiges Leben zu ebnen. Das erreicht sie vor allem über berufliche Bildung. In ihrem Ausbildungszentrum im Osten des Landes bietet sie ein breites Programm an, von der Basis-Computerschulung bis zum Management-Training für Kleinunternehmerinnen. Dazu gehört auch der Kurs „Sprechen in der Öffentlichkeit“, der den Frauen ein solides Standing vermittelt, das sie mindestens so dringend benötigen wie ihr Fachwissen und das für sie eine Zukunft eröffnet, von der sie früher nie zu träumen gewagt hätte. Danke, dass Sie junge Frauen in Timor-Leste mit Ihrer Spende unterstützen, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen! Mehr Infos unter www.misereor.de/ timor-leste-frauen Eine intensive, facettenreiche Aufgabe … Was gefällt Ihnen besonders daran? Da muss ich nicht lange überlegen: die vertrauensvolle, respektvolle Bindung, die sich entwickelt. Ich erfahre oft viel Persönliches über die Menschen. Was möchten sie bewirken, sogar über ihre Zeit hinaus? Welche Kapitel ihrer Lebensgeschichte motivieren sie? Wenn ich mit jemandem spreche, der krank ist, dann tragen wir gemeinsam auch dieses Thema. Mein Fazit aus sieben Jahren Testamentsberatung für Misereor: Das zu besprechen, worüber man sonst lieber schweigt, schweißt zusammen wie kaum eine andere Erfahrung. Und es setzt wirklich etwas in Bewegung. Klare Sprache öffnet viele Türen, Misereor-Partner statten Frauen gezielt mit diesem wertvollen Werkzeug aus 47
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