frings. Das Misereor-Magazin 1/2025: Reisen und die Welt erleben

An- und Abreisemachen

An- und Abreisemachen rund80 Prozent derEmissionen einerReise ausKann man eigentlich in Diktaturenoder Autokratien mit gutem GewissenUrlaub machen?Es hängt von einigen Dingen ab: Habeich etwa die Möglichkeit, im gewähltenLand privatwirtschaftlich unterzukommenoder gehören alle Unterkünfteautomatisch der Regierungund landet damit auch das Geld, dasmit ihnen verdient wird, ausschließlichdort? Das ist in Nordkorea derFall. Wichtig ist auch: Gibt es im Landeine Zivilgesellschaft, die erlaubt,trotz Autokratie nicht nur der offiziellenMeinung zu folgen? Habe ich dieMöglichkeit, Menschen zu begegnenund kann offen mit ihnen sprechen?Dies war in Myanmar beziehungsweiseBurma der Fall. Das Land war vieleJahre eine Diktatur, hat sich dannlangsam geöffnet, wozu der Tourismusmaßgeblich beigetragen hat. Bises dann wieder zu einem MilitärsturzMit einem einzigen Bahnticketinnerhalb Europasvon A nach B zu reisen, daswünscht sich Petra ThomasWas kann ich tun, um nachhaltig zu reisen?1. Ökologische Verantwortung: Reisende schützen natürliche Ressourcenund die Artenvielfalt. Sie minimieren ihren ökologischen Fußabdruck, indemsie weniger fliegen, Einwegplastik vermeiden und Energie sparen.2. Soziale Gerechtigkeit: Reisende respektieren lokale Kulturen und Traditionen.Sie unterstützen lokale Gemeinschaften, indem sie Unterkünfte undDienstleistungen wählen, in deren Umfeld soziales Engagement stattfindet.3. Ökonomische Fairness: Reisende unterstützen die regionale Wirtschaft,indem sie bei lokalen Anbietern buchen und große internationale Kettenmeiden, die oft weniger zur lokalen Wirtschaft beitragen.4. Nachhaltigkeitssiegel: Bei der Buchung einer nachhaltigen Reise solltenReisende auf Siegel wie greensign.de achten. Auch Reiseportale kennzeichnennachhaltigen Tourismus mit Umweltsiegeln wie TourCert und dem vomUmweltbundesamt initiierten Viabono.kam und alles rückgängig gemachtwurde. Tourismus kann ein Fensteröffnen, weil Menschen und ihre Protestewahrgenommen werden und Informationengeteilt werden, die sonstverborgen bleiben.Was ist das Wichtigste, wenn manReisen mit lokalen Partnern vor Ortentwickelt?Wenn man touristische Aktivitäten inkleinen Gemeinden anbieten möchte,dann reist man hin und spricht vorOrt mit den Leuten über ihre Erwartungenund Wünsche. Ein Beispiel:Eine Organisation auf dem Land in Indienhatte sich zum Ziel gesetzt, FrauenArbeitsplätze zu verschaffen, weilFrauen häufig keine Anerkennung28 EINS2025

Mit einem Mönch über Buddhismusins Gespräch zukommen, kann zu einer kostbarenBegegnung werdenbekommen oder Witwen gesellschaftlichausgestoßen werden. Die Idee war,Frauen mit Touristen in ihrer Küchekochen zu lassen. Doch die Frauenfühlten sich nicht wohl damit, dassGäste in ihren privaten Raum eindrangen.Daraufhin wurde das Konzeptverändert und in einer öffentlichenKüche gekocht. Nachhaltig reisen bedeutetauch, dass sich alle Beteiligtenmit dem Angebot wohlfühlen.Foto: Shutterstock/ArtWellIst das ein Grund dafür, dass nachhaltigesReisen teurer ist?Was man beim nachhaltigen Reisennicht findet, sind Dumping-Preise,also ein Viersternehotel zum Preisvon zwei Sternen. Es ist eine Fehlentwicklung,dass im Tourismus vielesunter Preis angeboten wird und oftdas billigste Angebot entscheidet. DieserPreis zeigt nicht die Leistung, diedahintersteckt. In einer nachhaltigenReise stecken sehr viele Leistungen.Auch Absprachen vor Ort und diekleinen Begegnungen, die dadurch ermöglichtwerden. Etwa, wennman nachmittags Gelegenheithat, mit einem Mönch überBuddhismus zu sprechen. Daskostet nicht viel, erfordertaber viel Organisation.Laut einer aktuellen Umfragezum Reiseverhaltendeutscher Konsumenten wünschensich zwei Drittel einenmöglichst umweltfreundlichenUrlaub. Wenn es darum geht,dies zu bezahlen, wäre nur dieHälfte von ihnen dazu bereit.Ist das eine traurige oder eineerfreuliche Nachricht?Ich finde es erfreulich, dassdemnach ein Drittel aller Reisendenoffen ist für nachhaltige Reisen.Das Forum Anders Reisen hat strengeKriterien entwickelt, um Anreise undAufenthaltsdauer in ein akzeptablesVerhältnis zu setzen. Was heißt das fürFlugreisen?Unser Verband hat atmosfair als Klimaschutzorganisationmitgegründet,denn wir haben uns schon vor 20Jahren gefragt: Kann man überhauptguten Gewissens fliegen? Für alleReisen unter 800 Kilometern und füralle, für die es eine tragbare Alternativegibt, verkaufen wir keine Flüge.Für alle weiteren Reisen verkaufenwir innerhalb Europas Flüge, wennder Aufenthalt mindestens eine Wochedauert, für Ziele außerhalb Europas,wenn der Aufenthalt mindestenszwei Wochen dauert: „Je länger,desto besser“ ist unser Motto: Liebereinmal eine lange Reise als häufigeKurzreisen. Denn An- und Abreisemachen rund 80 Prozent der Emissioneneiner Reise aus.in Europa noch eine Plattform fehlt,die nachhaltiges Reisen innerhalb Europasbequemer buchbar macht unddurchgängige Tickets anbietet. SlowTravel funktioniert, wenn die Anreiseattraktiv ist. Wir arbeiten an einerVerbesserung, gemeinsam mit anderenAkteuren.Welche positiven Trends gibt esim Tourismus?Die Nachfrage nach Reisen in die Natur,um zur Ruhe zu kommen, Naturzu erleben und sich zu erholen. Einweiterer kleiner Trend ist der wachsendeWunsch nach echten Begegnungenvor Ort statt nur irgendwo hinund wieder weg.Welche negativen Trends gibt es?Im Tourismus werden für Dienstleistungendie niedrigsten Löhne gezahlt,obwohl es teilweise Servicezeiten rundum die Uhr gibt. Kaum jemand nimmtwahr, dass Menschen, die mein Bettmachen, mir ein Essen servieren undden Strand sauber halten, etwas wertsind und gute Arbeitsbedingungenbrauchen. Dass Hoteliers, aber auchAnbieter von Pauschalreisen, immernur im Preisvergleich stehen, statt imQualitätsvergleich. Viele kleben amPreis, ohne sich Gedanken darüber zumachen, dass dann kein Geld für dieMenschen übrig ist, die im Tourismusarbeiten und davon leben wollen.Was wird sich in Zukunft verstärken?Die Branche wird künftig stärker auffaire Arbeitsbedingungen achten müssen,weil sie sonst keine Mitarbeitendenmehr findet. Fachkräftemangelgibt es nicht nur bei uns, sondernauch dort, wo wir Urlaub machen.Slow Travelfunktioniert,wenn die Anreiseattraktiv istAktuell reisen nur fünf Prozent derGäste, die mehr als fünf Tage unterwegssind, mit der Bahn und 47 Prozent perFlug an. Woran liegt’s?Flugreisen sind deutlich günstiger.Dazu kommt, dass für BahnfahrtenBirgit-Sara Fabianek lebt als freie Journalistin inAachen. Auf ihre Lieblingsinsel Bornholm fährt siegemächlich mit der Fähre und bleibt dann gern, solanges geht.Ralf Niemzig lebt als freier Fotojournalist in Hamburg.Für seine Reportagen bereist er die ganzeWelt auf der Suche nach Menschen und ihren Geschichten.EINS202529