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frings. Das Misereor-Magazin 1/2025: Reisen und die Welt erleben

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„Wir können nicht die

„Wir können nicht die Probleme Haitis lösen“, sagt PräsidentAbinader. Gleichzeitig kursieren im Land Geschichtendarüber, dass die Haitianer*innen Kriminalität und Krankheitenins Land brächten und beide Völker kulturell nichtzusammenpassten. In Haiti hat man unterdessen mit denFolgen der massiven Abschiebungen zu kämpfen: TausendeMenschen, die über die Grenze kommen, häufig mittellosund weit entfernt von ihren Herkunftsorten.Eine der wenigen Organisationen, die hilft, ist die Grouped‘Appui aux Rapatriés et Refugiés (GARR), die Hilfsgruppefür Repatriierte und Flüchtlinge. Mit Unterstützung vonMisereor unterhält sie ein Aufnahmezentrum im GrenzortDie DominikanischeRepublik baut seit 2022eine 3,9 Meter hoheGrenzmauer zu Haiti, umdie Migration zu stoppen.Tatsächlich begünstigt sieaber Schlepperbandenund Korruption.Belladère, in den täglich 300 Menschen abgeschoben werden.„GARR kümmert sich um besonders Schutzbedürftige:Kinder, Schwangere, auseinandergerissene Familienund Menschen, die aus Orten stammen, in die sie wegender Sicherheitslage nicht reisen können“, berichtet GARR-Chefkoordinatorin Colette Lespinasse. Im GARR-Zentrumerhalten sie Nahrung, Hygieneartikel, psychosoziale Unterstützungund gesundheitliche Versorgung. „Es kommenzurzeit sehr viele Menschen, die Situation ist angespannt“,sagt Lespinasse.Doch die dominikanische Abschiebepolitik steht imWiderspruch zum Bedarf an billigen Arbeitskräften desLandes, auch in der Tourismusbranche.„Viele Gäste stammtenaus Deutschland, Italien und denUSA“, erinnert sich Jackson Bouzyan seine Zeit als Kellner in einemHotelrestaurant. Sechs Tage in derWoche habe er jeweils neun Stundenlang gearbeitet und umgerechnet285 Euro Monatslohn erhalten.„Manchmal gaben die Touristenauch Trinkgeld.“Mit dem Lohn konnte er sichein WG-Zimmer leisten, Essen kaufenund ein wenig Geld zurücklegen.„Ich mochte die Arbeit“, sagt er, „ich mochte die Gästeund hatte ein gutes Verhältnis zu meinem Chef.“ Aber ofthabe er sich auch aus Angst verstecken müssen, wenn Fahrzeugeder Migrationspolizei in seinem Viertel aufgetauchtseien. „Manchmal spielten wir Domino im Freien und sahenplötzlich, wie andere Haitianer wegrannten. Dannrannten wir auch“, sagt Bouzy.Für Ana Belique steckt eine „koloniale Logik“ hinterdem Umgang mit den Migrant*innen aus Haiti. „RechtloseArbeiter, die in Angst leben, sind leichter auszubeuten undzu kontrollieren“, sagt sie. Belique ist selbst Tochter haitianischerEinwanderer und die Sprecherin von Reconoci.do,Der Handel mit Alltagsdingenan der Grenze wirddurch die verschärfte Grenzpolitikstark erschwertFoto: Martin/Le Figaro Magazine/laif38 EINS2025

Die Mauer besteht ausBeton und Stacheldraht undist mit Drohnen, Kameras undWachtürmen ausgestattetWenn Haitianer*innennicht im Resort arbeiten,verstecken sie sich oft vorder MigrationspolizeiMit dem Rücken zueinanderHaiti und die Dominikanische Republik teilen sich dieKaribikinsel Hispaniola. Trotz der geografischen Näheunterscheiden sich die beiden Nationen stark.In Haiti spielt man Fußball, in der DominikanischenRepublik Baseball. In Haiti spricht man Kreolisch, inder Dominikanischen Republik Spanisch. Die Haitianer*innensind stolz auf die einzige erfolgreiche Revolteschwarzer Sklav*innen in der Weltgeschichte.In der Dominikanischen Republik verleugnet man oftdas afrikanische Erbe und beruft sich auf Spanien.Sogar die Uhrzeit unterscheidet sich: In Haiti ist eseine Stunde früher.Der Human Development Index (HDI) der UN misstdie Lebensqualität. Dafür schaut man sich das Pro-Kopf-Einkommen, den Bildungsgrad und die Lebenserwartungan. 2024 lag Haiti auf Platz 158 von 193Ländern. Die Dominikanische Republik lag auf Platz 82.Auch deshalb suchen viele Haitianer*innen in der DominikanischenRepublik nach Arbeit.Viele Vorbehalte wurzeln in der Geschichte. Im19. Jahrhundert besetzten haitianische Truppen 20 Jahrelang die Dominikanische Republik. Sie führten denMilitärdienst ein, schränkten den Gebrauch der spanischenSprache ein, schlossen die Universität und verbotenden Handel sowie Karten- und Würfelspiele. DominikanischePolitiker nutzen die Besetzung bis heute,um vor einer Invasion aus Haiti zu warnen. In Haiti erinnertman sich dagegen vor allem an das Massaker von1937, als die dominikanische Armee fast 30.000 ausHaiti stammende Menschen im Grenzgebiet tötete.Seit dem schweren Erdbeben von 2010 hat sich dieSituation in Haiti verschlechtert. Gleichzeitig verschärftedie Dominikanische Republik ihren anti-haitianischenKurs. 2023 gab es einen Grenzkonflikt, als Haitieinen Kanal an einem Grenzfluss baute, um Wasser fürdie Felder der Region abzuleiten. Die DominikanischeRepublik sah das als feindlichen Akt an. Präsident LuisAbinader ordnete die Schließung der Grenze an, wasTausende haitianische Händler*innen hart traf. Er forderte,den Kanalbau sofort zu stoppen. Der Konflikt verschärftedie angespannte Beziehung zwischen beidenLändern. Er bleibt weiter ungelöst – auch weil es aufhaitianischer Seite keinen funktionierenden Staat gibt.EINS202539

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