Hinter dem Umgangmit Arbeitskräftenaus Haiti steckt einekoloniale Logik.Das System gleichteiner Drehtür.Ana Maria Beliquekämpft für die Rechteder haitianischenArbeiter*inneneiner Organisation, die in der Dominikanischen Republikfür die Rechte von Migrant*innen kämpft.Das ganze System gleiche einer Drehtür, sagt sie. Haitianer*innenwürden ins Land geschmuggelt. Sie arbeitetenunter großem Druck, um dann wieder abgeschobenzu werden. Die Enthumanisierung der Arbeiter*innen seiTeil des Systems, sagt Belique. „Es beruht auf rassistischenKriterien: Bei ihren Razzien und Straßenkontrollen hates die Migrationspolizei ausschließlich auf Menschen mitdunklerer Hautfarbe abgesehen.“Als Jackson Bouzy eines Morgens auf dem Weg zur Arbeitwar, lief er in die Arme einer DGM-Patrouille. Er habekein Visum vorzeigen können und sei sofort festgenommenworden, sagt er. „Ich versuchte, meinen Chef im Restaurantanzurufen, aber sein Telefon hatte ein Problem. Ich glaube,er hätte mich beschützt.“Nach der Festnahme wurde Bouzy von Beamten beschimpftund bedroht, andere seien geschlagen worden,erinnert er sich. Zwei Tage lang seien sie eingesperrt gewesen.„Die Beamten wollten uns demütigen, sie sagten, dasswir nach Haiti zurückgehen sollten, um Steine zu fressen.“Eine Anspielung darauf, dass besonders arme Haitianer*innenin Hungerzeiten aus Verzweiflung eine Art Plätzchenaus Lehm essen.Schließlich seien er und andere über den Grenzübergangvon Elías Piña in der Inselmitte nach Haiti abgeschobenworden. Mit etwas Geld, das seine Familie ihmgeschickt habe, konnte er sich bis in seinen Heimatort Anse-à-Pitresim Süden Haitis durchschlagen. Am Ende hatteer Glück im Unglück, denn seine haitianischen Freunde inPunta Cana schickten ihm das Geld nach, das er in PuntaCana gespart hatte.Inzwischen lebt Bouzy in einem einfachen Haus in Anse-à-Pitresund verkauft Wasser und andere Lebensmittel.Ein Altmetallsammler überquertdie schwer gesicherteGrenze zwischen Haiti und derDominikanischen Republik„So komme ich über die Runden“, sagt er. Am liebsten würdeer wieder nach Punta Cana gehen, um dort zu arbeiten,sagt er. „Allerdings nur auf legalem Weg.“ Er weiß jedochselbst, dass es schier aussichtslos ist, ein Visum zu bekommen,solange die Wirtschaft der Dominikanischen Republikvon der Illegalisierung der haitianischen Arbeitskräfteprofitiert.Philipp Lichterbeck lebt als freier Korrespondent für Lateinamerika in Rio deJaneiro. Sein aktueller Reiseführer über die Dominikanische Republik ist imDumont Verlag erschienen.40 EINS2025
FREIWILLIGEN-ARBEIT STATTWELTREISE?Lange habe ich mir die Frage gestellt: Wie verantwortungsbewusstin den Globalen Süden reisen? Es gehtmir nicht um schnelles Abhaken von Sehenswürdigkeiten,sondern um echtes Erleben – sich mit der Kultur, derGeschichte und den Menschen eines Landes wirklich zu verbinden.Doch wie gelingt das? Ich habe mich für einen Freiwilligendienstentschieden, eine bewusste Art des Reisens.Über das weltwärts-Programm und Misereor bin ichin Cochabamba gelandet, einer lauten, bunten und pulsierendenStadt in Bolivien, die inzwischen mein Zuhausegeworden ist. Seit fünf Monaten arbeite ich nun im Kulturzentrum„mARTadero“ mit lokalen Künstler*innen imKollektiv an einem Performance-Projekt zur ökosozialenRegeneration. Unsere Arbeit beleuchtet die gestörte Beziehungzwischen Menschen und Natur und macht sie durchKörper, Stimme und audiovisuelle Installationenerleb- und nahbar. Wir setzen unsmit Klimawandel und Umweltzerstörungauseinander und suchen nach Visionen füreine sozial-ökologische Zukunft – inspiriertvon lokalem Wissen. Dabei hinterfragenwir die westliche Sicht auf Natur, die vonRessourcendenken, Konsum und Entfremdunggeprägt ist, ebenso wie das westlicheKunstverständnis, das oft von Individualismusund Hierarchien bestimmt wird.Foto und Text vonLillian Coralie BeaumontWir suchen nachVisionen für einesozial-ökologischeZukunft,inspiriert vonlokalem WissenLillian Coralie Beaumontist seit September 2024 alsMisereor-Freiwillige in Bolivien.Nach dem Abitur hat sie amStaatstheater Kassel eine Regie-Hospitanz gemacht und dortihre Liebe zum künstlerischenArbeiten entdeckt.Das „mARTadero“ mit seinem kollektiven Ansatz undCochabamba mit seinem reichen, wenn auch marginalisierten,indigenen Wissen über die Natur als lebendigesSubjekt bieten den idealen Rahmen für diese Auseinandersetzung.Hier vor Ort wird mir noch mal mehr bewusst,warum ich mich für den Freiwilligendienst und gegeneine Weltreise entschieden habe. Ich will koloniale Strukturennicht reproduzieren, sondern ihnen entgegentreten.Ich will lernen, verstehen und mit Respekt staunen.Echte Begegnungen entstehen nicht imschnellen Vorbeiziehen, sondern in dergemeinsamen Arbeit, im Fragen und imErleben. Der Freiwilligendienst ist keinKurztrip, sondern ein Langzeitprojekt.Er fordert Zeit und Bewusstsein, aber erschenkt die Chance, ein Land tiefer zuerleben, echte Verbindungen zu knüpfenund vielleicht sogar Freundschaften,die bleiben. Als Touristin wäre mir daswohl kaum geglückt.EINS202541
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