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frings. Das Misereor-Magazin 2/2022: Mut finden.

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Maimouna Samaké, als

Maimouna Samaké, als Kind Opfer von weiblicher Genitalverstümmelung, setzt sich heute für Aufklärung ein 30 ZWEI2022

Mali gehört zu den letzten afrikanischen Ländern, in denen weibliche Genitalverstümmelung nicht verboten ist. Die Aktivistin Agnès Niaré kämpft mit ihrer Organisation „Tagnè“ trotz aller Widerstände gegen die tabuisierte Tradition an – und überzeugt ein Dorf nach dem anderen. Text von Christian Putsch Fotos von Annie Risemberg Kati – Die Eltern sind weg, bei der Arbeit, als die Nachbarin rüberkommt. Sie solle mitkommen, sagt sie zu Maimouna Samaké. Das Mädchen, 12 Jahre alt, gehorcht – und folgt der Familienfreundin. Erst als sie an einem kleinen Haus einige Straßen weiter ankommen, realisiert sie die Situation. Hier wohnt eine „Practicienne“. Eine Frau, die ihren Lebensunterhalt mit weiblicher Genitalverstümmelung bestreitet. Es folgt ein Martyrium im Badezimmer. Vier Frauen drücken Samaké auf den Betonboden, während die Practicienne ihr Handwerk verrichtet. Ohne Schmerzmittel. Das Messer ist weder scharf noch steril, lediglich mit Seife gereinigt. Minuten vergehen, vielleicht zehn, vielleicht 20, der Schmerz betäubt jedes Zeitgefühl. Schreie. Dann verlässt eine der Frauen das Zimmer, nimmt die abgeschnittene Klitoris mit. Eine andere streut schwarzes Pulver auf die Wunde, die zerstäubten Pflanzen stoppen die Blutung. Gehen kann das Mädchen nicht. In einer Schubkarre bringt die Nachbarin das Kind zur Oma. Mehr als zwei Jahrzehnte sind vergangen seit diesem Trauma in Kati, einer Stadt im Süden Malis. Samaké ist inzwischen 34 Jahre alt, hochgewachsen und selbstbewusst, buntes Kleid. Sie sitzt nur wenige Straßen von dem Ort des Schmerzes entfernt – im Büro der von Misereor unterstützten Hilfsorganisation „Tagnè“, die sich Die meisten Mädchen sind verstümmelt, aber sie sprechen nicht darüber für ein Ende dieser brutalen Praxis einsetzt. Denn Mali ist eines der letzten afrikanischen Länder, in dem sie noch legal ist. 200 Millionen Mädchen und Frauen sind nach UN-Angaben weltweit betroffen, in kaum Agnès Niaré, Gründerin und Direktorin von Tagné, kämpft seit Jahrzehnten gegen weibliche Genitalverstümmelung einem anderen Land ist sie so verbreitet wie in Mali: Dort bleibt nur jede zehnte Frau verschont von der Beschneidung der weiblichen Genitalien, wie die Tradition fast beschönigend auch genannt wird. Meistens findet sie im Säuglingsalter statt, selten nach dem 15. Lebensjahr. So üblich die Genitalverstümmelung hier auch ist – sie bleibt ein Tabu, nur selten wird sie von einer Zeremonie be- ZWEI2022 31

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