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frings. Das Misereor-Magazin 2/2023: Fair ist mehr.

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Fair ist mehr. Ein Heft über Energie und Gerechtigkeit. www.misereor.de/magazin

INTERVIEW

INTERVIEW Das Gespräch führte Birte Mensing Wie kann die Energiewende gerecht gestaltet werden? Damit befasst sich der Umweltwissenschaftler Amos Wemanya. Menschenrechte, Zugang zu Energie und Umweltschutz sind für ihn untrennbar miteinander verbunden. Wemanya arbeitet bei Power Shift Africa, einem wichtigen Misereor-Partner, und leitet in ganz Kenia Initiativen, die in enger Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung Klimagerechtigkeit vorantreiben. Icon: iStock.com Eine gerechte Energiewende – geht das überhaupt? Auf einem Kontinent wie Afrika geht es nicht in erster Linie darum, von Kohle oder Öl wegzukommen, sondern darum, Leuten schnell grüne Energie zugänglich zu machen. Mehr als 600 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu Elektrizität. Die Machtverhältnisse sind nicht ausgewogen. Es gibt Gemeinden, die über reichhaltige Energieressourcen verfügen, aber keinen Zugang zu Strom haben, weil die Technologie von Regierungen und internationalen Großkonzernen kontrolliert wird, die daraus Gewinn schlagen. Warum ist Zugang zu Energie so wichtig? Wir leben in einer Klimakrise, und die Auswirkungen sind nicht gerecht. Obwohl wir wenig zu den Emissionen beitragen, verlieren Menschen auf dem afrikanischen Kontinent aufgrund der extremen Wetterereignisse Jahr für Jahr ihre Lebensgrundlage oder sogar ihr Mehr als 600 Millionen Men- schen haben Leben. Es regnet unregelmäßig, mittlerweile fallen Regenzeiten oft ganz aus. Wer Zugang zu Strom hat, kann Wasserpumpen betreiben und Felder bewässern oder anders Geld verdienen. Welche Energiequellen kommen dafür in Frage? Solarenergie kann in Kenia landesweit genutzt werden. Insbesondere im Nordosten, wo die Auswirkungen der Klimakrise am extremsten sind, gibt es ein enormes Windkraftpotenzial. Wenn diese Potenziale genutzt würden, könn - ten sie den Gemeinden helfen, widerstandsfähiger gegen die Klimakrise zu keinen Zugang 14 ZWEI2023 zu Elektrizität

sein. Aber dafür brauchen wir auch Energie-Demokratie. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass Gemeinden sowohl Erzeuger als auch Verbraucher ihrer eigenen Energie sind und bestimmen können, wie die Energie genutzt wird. Wir müssen weg von Großprojekten, die zentral gesteuert werden, hin zu dezentralen, überschaubaren Versorgungssystemen. Solaranlagen bieten sich dafür besonders an. Wir müssen dezentrale Energiesysteme so gestalten, dass eine Gruppe vor Ort das Infrastrukturprojekt verwaltet, dass lokale Handwerker zum Unterhalt ausgebildet werden und die Nutzerinnen und Nutzer Gebühren zahlen, die den Unterhalt der Anlage langfristig decken. Was ist die Verantwortung von Ländern wie Deutschland? Deutschland muss aus fossilen Brennstoffen aussteigen, damit wir die globale Erwärmung irgendwie eindämmen können. Und es ist gut, wenn es in Ländern wie Kenia in den Ausbau grüner Energie investiert und sich solidarisch mit denen zeigt, die von der Klimakrise betroffen sind, die sie nicht verursacht haben. Wahre Solidarität bedeutet aber auch, sich von Maßnahmen fernzuhalten, die die Krise weiter verschärfen. Deutschland hat ein Gasabkommen mit Senegal geschlossen. Ist das sinnvoll? Weil Deutschland sich von russischem Gas lösen will, wendet es sich Afrika zu. Es ist nicht gerecht, die wenigen Ressourcen, die der Bevölkerung zur Verfügung stehen, nach Deutschland zu bringen. Länder wie Senegal dazu Wir leben in einer Klimakrise, und die Auswirkungen sind ungerecht Foto: Birte Mensing Für Amos Wemanya gehören Menschenrechte, Zugang zu Energie und Umweltschutz untrennbar zusammen zu bringen, in Gasinfrastruktur statt in den Ausbau nachhaltiger Energien zu investieren, ist nicht gerechtfertigt. Wir müssen auf dem Kontinent erst 600 Millionen Menschen mit Strom versorgen, damit sie sich besser gegen den Klimawandel wappnen können. Erst dann sollte man über den Export von Energie sprechen. Auch bei nachhaltiger Energie wie grünem Wasserstoff? Ja. Wasserstoffproduktion benötigt nicht nur extrem viel Energie, sondern auch viel Wasser. Kenia kämpft schon jetzt mit Wassermangel. Es wäre absolut ungerecht, das wenige Wasser, das zur Verfügung steht, für die Produktion von Wasserstoff für den Export zu nutzen. Nur ein Bruch- teil der weltweiten Investitionen in grüne Energie werden in Afrika getätigt Unternehmen, die in Europa mit fossiler Energie produzieren, können sich über CO2-Kompensationen das Label „klimaneutral“ erkaufen. Bringt das was? Das ist aus meiner Sicht Greenwashing. Mit dem Kauf sogenannter „Carbon Credits“ wälzen die Umweltverschmutzer die Verantwortung auf die Menschen ab, die Opfer dieser Verschmutzung sind. Es gibt ein Ungleichgewicht in den Machtverhältnissen: Wer bestimmt, was diese Carbon Credits kosten? Wer profitiert von dem Geld? Oft sind es große Organisationen oder Unternehmen, die quasi als Zwischenhändler agieren. Das Konzept ermuntert die Umweltverschmutzer, einfach weiterzumachen, anstatt die Emissionen zu reduzieren. Was muss sich ändern? Nur ein Bruchteil der weltweiten Investitionen in grüne Energie werden in Afrika getätigt. Noch immer wird viel mehr in fossile Brennstoffe investiert. Dazu kommt, dass die großen Summen, die bei den Klimakonferenzen versprochen wurden, oft in Form von Krediten zur Verfügung gestellt werden. Länder in Afrika sind einem hohen Ausfallrisiko ausgesetzt und zahlen daher hohe Zinsen. Und neben der Finanzierung? Im nächsten Schritt muss man fragen: Warum können wir Länder wie Deutschland nicht deindustrialisieren und Fabriken näher an die Ressourcen verlagern, die hier auf dem Kontinent liegen? Rohstoffe werden hier abgebaut, zu niedrigen Preisen verkauft und woanders hingebracht, nur damit die fertigen Produkte dann zu hohen Preisen wieder importiert werden. Warum können wir nicht in diesen Ländern Chancen und einen Mehrwert schaffen? ZWEI2023 15

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