INTERVIEW Foto: Guy Bubb via Getty Images 24 ZWEI2023
Hoffen auf die Energiewende: Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme in Berlin (o.) und Misereor-Abteilungsleiter Peter Meiwald Während in Deutschland die Energiewende nur mühsam vorankommt, warten in Afrika noch immer viele Menschen auf einen Zugang zu Strom. Volker Quaschning und Peter Meiwald im Zoom-Gespräch über Energiegerechtigkeit in Zeiten der Klimakrise und nachhaltige Energie für alle. Das Gespräch moderierte Birgit-Sara Fabianek Herr Quaschning, Sie sagen, wir brauchen eine Energierevolution, keine laue Energiewende: Was meinen Sie damit? Volker Quaschning: Wir haben momentan 1,2 Grad globale Erderwärmung, wir hätten eine Chance, unter zwei Grad zu bleiben, wenn wir in den nächsten 20 Jahren das Ruder radikal herumreißen und zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umsteigen. Die Technik ist da. Wir haben die Lösungen. Wir müssen sie nur noch einsetzen. Wenn wir das tun, bleiben wir in einem Bereich, der beherrschbar ist. Es gibt noch viele Widerstände und Bedenken dagegen. Quaschning: Es wird eine komplett andere Welt, wenn wir keine Kohle, kein Öl oder Gas mehr verbrennen: Es wird sauberer, leiser, grüner. Man möchte hoffen, dass sich Deutschlands Wirtschaft an die Spitze dieser technologischen Revolution stellt, aber sie tut es nicht. Doch wenn wir weiter im Schneckentempo Energiewende machen, laufen wir auf eine Welt hinaus, die sich um mehr als drei Grad erwärmt, das ist etwa dreimal so viel wie bislang. Natürlich werden dann auch alle Phänomene, die uns jetzt belasten, entsprechend schlimmer werden: Die Hitzewellen werden Gebiete komplett unbewohnbar machen, weil sie zu heiß sind, dazu gehören dann auch große Teile Afrikas und auch Südamerikas, der Globale Süden wird besonders stark darunter leiden. Eine weitere Zerstörung wird durch den Anstieg der Meeresspiegel in Zeitlupe hinterherkommen. Dann brechen im Umfeld von Küsten auch die Nahrungsmittel- und die Trinkwasserversorgung zusammen. Das wird indirekt auch den Globalen Norden treffen, denn die Menschen müssen ja irgendwo hin. Das heißt, in einer Welt mit drei Grad Plus macht die Frage, ob wir mit dem E- Auto fahren oder Solaranlagen auf dem Dach haben, keinen Unterschied mehr? Quaschning: Genau. Bei drei Grad Plus sind wir im stetigen Überlebensmodus. Das ist auch bei uns vielen Menschen nicht bewusst. Es gibt einen Aphorismus von Eckart von Hirschhausen: „Von allem Geld der Welt kann ich mir keine Außentemperatur kaufen.“ Wir brauchen wirklich eine Disruption, ein Fotos: Claudia Fahlbusch (u.), Cornelia Quaschning (o.) schnelles Ende der gesamten Verbrennungsenergie. Es geht nicht darum, statt Diesel überall Bio-Diesel in den Tank zu kippen oder mit Pellets zu heizen. Das wird uns nicht helfen, die Klimakrise aufzuhalten. Peter Meiwald: In Afrika hat sich in den vergangenen zehn bis 15 Jahren eine Perspektive eröffnet, um das fossile Zeitalter zu überspringen. Es gibt einen großen Druck, den Kontinent zu elektrifizieren, seit die Leute alles über Mobiltelefone machen. Auch in abgelegenen Orten braucht man heute Strom. Die Regierungen geraten unter Druck, Strom bereitzustellen und hätten technologisch alle Möglichkeiten, dafür erneuerbare Energien einzusetzen. Doch auch in Afrika spürt man momentan die Abwehrkämpfe der Ver- ZWEI2023 25
Laden...
Laden...
Follow Us
Instagram
Twitter
Facebook