Unabhängig von fossilen Energien und Diesel-Generatoren: Solarpanels in Südafrika treter*innen alter Geschäftsmodelle, überall dort, wo massiv investiert wird in Kohle, in Gas, in Ölförderung – hier werden gerade wichtige Chancen vertan und Strukturen ausgebaut, die uns noch Jahrzehnte weiter belasten. In Afrika spricht man darüber, überhaupt einen Zugang zu Energie zu bekommen? Meiwald: Ganz genau. Für die Hälfte der Menschen in afrikanischen Ländern geht es erstmal um die Grundversorgung, darum, überhaupt Strom zu haben – damit Schulkinder bei Licht Hausaufgaben machen können, um zu kochen ohne die verbliebenen Wälder zu verbrennen, um Geld mit dem Mobiltelefon zu transferieren, um Wettervorhersagen für die Landwirtschaft zu erhalten, um etwas zu produzieren, mit dem sich handeln lässt. Die Projektpartner von Misereor bauen Solaranlagen mit Speichern für Gesundheitsstationen und Krankenhäuser im Kongo, in Sambia oder Somalia und kleine Wasserkraftanlagen im Ost- Kongo, in der Region Nord-Kivu. Diese Wir haben es noch in der Hand. Das gibt mir Hoffnung. Förderungen haben wir in den vergangenen Jahren massiv ausgeweitet, um einen Beitrag dazu zu leisten, dass Gemeinschaften etwas unabhängiger werden von fossilen Energien und Diesel- Generatoren. Bei uns wird darüber gestritten, dass Wärmepumpen viel zu teuer sind. Wie sollen weniger wohlhabende Länder das schultern? Quaschning: Bei fossiler Energie ist der Einstieg preiswert, aber dann müssen die Energieträger kontinuierlich nachgekauft werden. Das ist vergleichbar mit dem Suchtmodell: Man wird erst abhängig gemacht mit niedrigen Inves- 26 ZWEI2023 Volker Quaschning
Es gibt einen großen Druck, Afrika zu elektrifizieren, seit die Leute alles über Mobiltelefone machen Peter Meiwald titionen und dann hängt man am Stoff. Bei den erneuerbaren Energien muss man am Anfang viel investieren, aber danach bleibt man für eine lange Zeit unabhängig. Das ist eine andere Perspektive und eine Chance – auch für den Globalen Süden. Meiwald: Wir in Deutschland haben auch die Verantwortung für eine tiefgreifende Veränderung, denn wir haben die Mittel, sie zu bezahlen. In Afrika gibt es viele Gegenden, da konnte man vor fünfzehn Jahren schon sehen, welche Folgen die Klimakrise hat, in Ruanda zum Beispiel. Doch die Menschen dort hatten weder die technischen noch die finanziellen Mittel, sich dagegen zu wappnen und anzupassen, nun stehen sie vor Ernteausfällen und Überschwemmungen und müssen reagieren. Wir haben viel Know-how. Auch wenn es natürlich schade ist, dass viele der technischen Ideen, die bei uns entwickelt worden sind, jetzt in China umgesetzt und produziert werden statt bei uns. Aber die Hauptsache für den Klimaschutz ist: Die Technologien sind jetzt da. Wir sollten die Chancen nicht vergehen lassen, indem wir auf dem Alten beharren. Es ist Zeit, dass wir endlich den Anschluss finden und Teil der Lösung werden. Könnte Deutschland sich tatsächlich komplett selbst versorgen mit erneuerbarer Energie? Quaschning: Ja. Wenn wir zwei bis vier Prozent der Landesfläche in die Stromproduktion investieren würden, dann könnte sich Deutschland selbst versorgen. Aber wir wollen das nicht. Das führt dazu, dass wir Energie importieren müssen und anderswo gigantische Man möchte hoffen, dass sich Deutschlands Wirtschaft an die Spitze dieser technologischen einen Zaun darumzieht, während auf der anderen Seite des Zauns Menschen ohne Zugang zu Energie leben. Meiwald: Das ist eine Frage von Verhandlungen. Misereor arbeitet mit daran, dass die Menschen in Namibia Zugang zu den Verhandlungen und einer fairen Stromversorgung bekommen, bevor große Strommengen in Wasserstoff für uns im Norden eingesetzt werden. Dafür stärken wir zivilgesellschaftliche Gruppen, die den Regierungen auf die Finger schauen wie etwa die Organisation Powershift Africa in Nairobi. Es kommt darauf an, dass nicht korrupte Regierungen mit Unternehmen aus China oder Europa ihre Deals machen und die Bevölkerung nichts davon hat. In Deutschland versuchen wir in Gesprächen mit der Bundesregierung und mit Unternehmen dafür zu sorgen, dass die lokale Bevölkerung nicht über den Tisch ge- Fotos: Michelly Rall (li.), Dwayne Senior via Getty Images (re.) Wie lange können wir mit unserem Lebensstil so weitermachen? Quaschning: Vielleicht noch zehn Jahre. Es gibt immer wieder globale Schwankungen wie das El Niño-Ereignis, bei dem Erwärmungen im Pazifik die Klimakrise vorantreiben. Danach wird es zunehmend schwierig sein. Bereits jetzt hungern 735 Millionen Menschen, durch die Klimaverwerfungen kann diese Zahl stark ansteigen, dann erreichen die Flüchtlingsströme ganz andere Dimensionen. Spätestens dann wird man auch bei uns die Augen nicht mehr verschließen können. Meiwald: Es gilt, etwas zu verändern. Aber wir stehen nicht hilflos davor. Revolution stellt, aber sie tut es nicht Volker Quaschning Flächen in Anspruch nehmen, um unseren Energiehunger zu stillen. Das kann eine wirtschaftliche Chance sein für die Länder, die uns diese Flächen bereitstellen. Es kann aber auch zu einer neuen Energie-Kolonisation führen, etwa wenn man in Namibia riesige Fotovoltaik-Anlagen für die Wasserstoff-Herstellung installiert und dann Natur trifft auf Technik: Windräder erzeugen im Nationalpark in Kenia regenerative Energie zogen wird. Natürlich ist Misereor selbst als große Entwicklungsorganisation nur ein kleiner Fisch im Becken, bei den Investitionen, um die es geht. Quaschning: Es geht um Investitionen in Höhe von 500 Milliarden aufwärts, um den Wasserstoff zu erzeugen, den wir für die Energiewende allein in Deutschland benötigen. ZWEI2023 27
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