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frings. Das Misereor-Magazin 2/2023: Fair ist mehr.

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BILDBAND Über viele

BILDBAND Über viele Jahre hat der niederländische Fotograf Reinout van den Bergh eine Dorfgemeinschaft im Süden Kameruns begleitet, die durch ein chinesisches Hafenprojekt bedroht ist. Im so entstandenen Bildband entdeckt Roland Brockmann die Seele von „Eboundja“. 38 ZWEI2023 EBOUNDJA Reinout van den Bergh Kehrer Verlag, 2020 200 Seiten 48,– Euro Anfang 2011 kommt Reinout van den Bergh erstmals nach Eboundja, ein kleines Fischerdorf an der Südküste von Kamerun. Die Menschen dort leben im Schatten der modernen Welt. Es gibt weder Handys noch Fernseher, der verschlafene Ort ist nicht mal ans Stromnetz angeschlossen. Doch die Zukunft kündigt sich bereits an: Neben dem winzigen Eboundja soll ein riesiger Tiefseehafen entstehen. Das chinesische Projekt ist der eigentliche Grund, warum der Fotograf in die Gegend gereist ist. Welchen Einfluss wird das gigantische Bauvorhaben auf die Bewohnerinnen und Bewohner haben, die hier seit Langem leben? Van den Bergh will den Ort „von innen“ kennenlernen. Und Dorfchef Emile ist interessiert. So entsteht die Freundschaft zu Emile, aber auch zu vielen anderen Bewohnern. Insgesamt sieben Mal wird der Niederländer nach Eboundja reisen, jedes Mal bleibt er länger als einen Monat. Den Tiefseehafen aber wird er nur von weitem fotografieren, schon weil Sicherheitsleute ihm den Zutritt verwehren. Vielleicht ist das ein Glück. Denn so konzentriert sich der Fotograf auf die Menschen im Dorf. Sein Bildband zeigt vor allem Porträts, keine Reportagefotos. Van den Bergh hält weniger den Wandel, denn das Sein des Dorfes sowie seiner Bewohnerinnen und Bewohner fest. Fast könnte man sagen: die Seele. Darin liegt die Qualität der Fotografien. Weitwinkelaufnahmen von Baggern, die eine Landschaft zerstören, kann jeder. Über Jahre mit großer Empathie Menschen zu begleiten, ist es etwas ganz anderes. Das leistet Reinout van den Bergh. Seine Fotos bestechen durch Lichteinfall und Schatten; es sind feine Kompositionen aus natürlichen Farben und Flächen, sorgsam akzentuiert und teils auch arrangiert. Vor allem aber zeugen sie von dem Vertrauen, dass zwischen Fotograf und Fotografierten besteht. Das Entwickeln einer solchen Intimität lernt man nicht auf der Fotoschule. Van den Berghs Perspektive löst sich von journalistischen Ansprüchen und damit am Ende auch vom Projekt des Tiefseehafens. Sein Fokus liegt auf ganz normalen Menschen und ihrer privaten Bühne – neben ihrem Bett, beim Blick aus dem Fenster, beim Radiohören oder allein auf einer Waldlichtung. Stets spürt man dabei das gegenseitige Einvernehmen. Schon beim Fotografieren gab van den Bergh seinen Protagonisten Polaroids; so konnten sie sich sofort selbst auf den Aufnahmen sehen. Später brachte er ihnen richtige Abzüge mit, die über die Jahre selbst Teil der Erinnerungskultur des Dorfes wurden. Mehr kann man als Fotograf eigentlich nicht erreichen.

Fotos aus dem besprochenen Bildband, © Reinout van den Bergh ZWEI2023 39

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